Party Prinzessin
zehn. Jetzt haben wir ein Problem, weil wir im Juni die Miete für den Alice-Tully-Saal bezahlen müssen, in dem die Abschlussfeier für die Schulabgänger stattfinden soll. Aber das können wir nicht, weil wir nämlich keinen müden Cent mehr haben. Was bedeutet, dass Amber Cheeseman, die Schülerin, die dieses Jahr die Rede auf der Abschlussfeier halten soll, mich umbringen wird, und zwar höchstwahrscheinlich auf eine extrem grausame und qualvolle Weise.«
Mir war klar, dass es riskant war, Grandmère ins Vertrauen zu ziehen. Wir haben nämlich eigentlich beschlossen, unseren Bankrott zu vertuschen. Es geht nicht anders. Lilly, Ling Su, Mrs Hill, Lars und ich haben feierlich bei unserem Leben geschworen, niemandem von der gähnenden Leere in den Kassen der SMV zu erzählen, es sei denn, es ließe sich überhaupt nicht vermeiden. Sonst werde ich am Ende noch vor einen Untersuchungsausschuss geschleppt, und das ist im Moment das Letzte, was ich gebrauchen kann. Lana Weinberger würde sich sofort händereibend auf jede Chance stürzen, mich meines Amtes als Schulsprecherin entheben zu lassen. LANAs Vater würde die fünftausend Lappen ohne mit der Wimper zu zucken auf den Tisch legen, wenn er seiner geliebten kleinen Tochter damit etwas Gutes tun könnte.
MEINE Verwandten? Ha ha ha.
Trotzdem hegte ich die kleine – zugegebenermaßen klitzekleine – Hoffnung, dass Grandmère mir vielleicht doch irgendwie unter die Arme greifen würde. Immerhin hat sie es früher schon manchmal getan. Zum Beispiel hätte es doch durchaus sein können, dass sie und diese Alice Tully sich von der Universität her kennen und bestens befreundet sind. Grandmère hätte dann nur mal schnell zum Hörer greifen müssen und wir hätten den Alice-Tully-Saal sogar KOSTENLOS bekommen!!!!
Bloß machte Grandmère leider überhaupt nicht den Eindruck, als würde sie in naher Zukunft irgendwelche Telefonate führen, um mir aus der Patsche zu helfen. Meine Hoffnungen schwanden, als sie anfing, leise mit der Zunge zu schnalzen. »Ts, ts«, machte sie. »Ich nehme an, ihr habt euer Geld für irgendwelchen Tinnef und Chichi ausgegeben.«
»Falls du mit Tinnef und Chichi«, sagte ich – wobei ich mich fragte, ob es diese Wörter überhaupt gibt oder ob sie plötzlich wirres Zeug redete und ich vielleicht lieber ihre Zofe alarmieren sollte –, »fünfundzwanzig hochmoderne Mehrwertstoffkomponenten-Tonnen mit Einzelbehältern für Papier, Glas und Dosen sowie einem eingebauten Dosenshredder meinst oder die dreihundert Elektrophorese-Sets, die ich für unser Bio-Labor angeschafft habe und nicht mehr zurückgeben kann, was ich zufälligerweise genau weiß, weil ich mich schon erkundigt habe, dann lautet die Antwort: Ja.«
Grandmère guckte enttäuscht. Es war offensichtlich, dass sie Recycling-Mülltonnen für komplette Geldverschwendung hielt, und dabei hatte ich noch nicht einmal von den verunglückten »Papier, Glas und Hosen«-Aufklebern erzählt.
»Wie viel brauchst du denn?«, fragte sie mit trügerischer Gelassenheit.
Moment mal. Sprach Grandmère etwa von dem Undenkbaren – wollte sie mir das Geld leihen?
Nein. Unmöglich.
»Nicht viel«, sagte ich hoffnungsvoll, obwohl ich wusste, dass es viel zu schön war, um wahr zu sein. »Bloß fünftausend.« Zwar sind es eigentlich insgesamt 5728,– Dollar, denn so viel verlangt das Lincoln Center als Miete für den Alice-Tully-Saal, in den tausend Leute passen, aber ich wollte nicht unverschämt sein. Die fehlenden 728,– Dollar würde ich schon irgendwie auftreiben, falls Grandmère bereit war, die fünftausend beizusteuern.
Tja, Pustekuchen. Es war zu schön gewesen, um wahr zu sein. »Was machen Schulen denn normalerweise in so einem Fall, wenn sie dringend Geld benötigen?«, erkundigte sich Grandmère.
Ich war völlig am Boden zerstört. »Keine Ahnung. Was weiß ich?«, log ich (aber das ist ja bei mir nichts Neues). Natürlich weiß ich ganz genau, was Schulen normalerweise machen, wenn schnell Geld gebraucht wird. Wir haben in unserer Sitzung ausgiebig darüber diskutiert, nachdem Ling Su uns die schreckliche Wahrheit über unsere Finanzen gebeichtet hatte. Mrs Hill war zwar nicht bereit gewesen, uns das Geld zu leihen (übrigens bezweifle ich stark, dass sie überhaupt fünftausend Dollar übrig gehabt hätte – ich schwöre, ich habe sie noch nie zweimal denselben Pullover tragen sehen. Für einen Menschen mit einem mageren Lehrerinnengehalt besitzt sie wirklich eine Menge
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