Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Paul Flemming 03 - Hausers Bruder

Titel: Paul Flemming 03 - Hausers Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinßen
Vom Netzwerk:
gewissen Herrn Henlein. Franz Henlein. Er wohnt gar nicht weit von Ihnen entfernt in der Altstadt: Am Sand 6, das ist an der Insel Schütt. Aber Sie werden ihn am Unschlittplatz treffen. Dort, wo Hauser seinerzeit das erste Mal gesehen wurde.« Der Reporter lehnte sich an die Hecktür seines protzigen Autos. »Herr Henlein ist angeblich im Besitz eines bisher nicht registrierten und daher auch nicht untersuchten Kleidungsstücks von Kaspar Hauser.«
    »Wieder so ein Spinner«, entfuhr es Paul.
    Blohfeld nickte wissend. »Ja, stimmt, wieder ein Spinner – allerdings einer, mit dem wir unsere Auflagenzahl erhöhen können! Auch für Sie bedeutet das klingende Münze, mein Lieber. Also? Sind Sie dabei?«
    Paul musste nicht lange über seine finanzielle Lage nachdenken, bevor er nach einem letzten Aufbegehren seines gesunden Menschenverstandes nachgab und einschlug. »Ich übernehme den Job. Werden Sie dabei sein, wenn ich Henlein fotografiere?«
    »Nein«, Blohfeld schüttelte entschieden den Kopf. »Ich habe bereits ausführlich mit ihm telefoniert. Außerdem bin ich leider grad ziemlich eingespannt: In der Montagsausgabe hieven wir die Einbrecherbande, die in Nürnberg ihr Unwesen treibt, auf die Seite eins. Diese Pyromanen haben letzte Nacht schon wieder zugeschlagen.«
    Paul hob kaum merklich die Brauen. Blohfeld schickte ihn also allein ins Rennen, weil er sich selbst um die wirklich wichtigen und aktuellen Polizeistorys kümmern wollte. Paul hatte über die Diebesbande bereits wiederholt in der Zeitung gelesen: Eine Gruppe skrupelloser Einbrecher suchte eine Nürnberger Villa nach der anderen heim und setzte sie anschließend mit Litern von Benzin in Brand. Wahrscheinlich, um Spuren zu verwischen.
    Aus Pauls Sicht hatte es wenig Sinn, weiter mit Blohfeld über dessen Prioritätensetzung zu diskutieren. Er war nur freier Fotograf und hatte nichts zu sagen. »Wann kann ich also Herrn Henlein treffen?«, fragte er tonlos.
    »In einer halben Stunde«, antwortete Blohfeld ernst und ohne jedes Zögern. »Wenn Sie sich beeilen, sind Sie sogar pünktlich dort.«
    2
    Unschlittplatz, Ecke Obere Kreuzgasse – außer Atem kam Paul an seinem Ziel an. Trotz der Samstagseinkäufer, die die Straßen verstopften, hatte er es beinahe pünktlich geschafft, wofür er sich selbst lobte, denn in der knappen Zeit hatte er es sogar noch fertig gebracht, einen Zwischenstopp bei sich zuhause am Weinmarkt einzulegen und sich trockene Hosen und ein anderes Paar Schuhe überzustreifen.
    Paul ließ seine Blicke über die herausgeputzten Fachwerkhäuser gleiten. Für Momente dachte er an die Diskussionen, die in den frühen siebziger Jahren aufgekommen waren: Damals war ernsthaft erwogen worden, einige der historischen Gebäude zugunsten einer besseren Verkehrsführung abzureißen. Als er zu den schön restaurierten Giebeln emporblickte, war Paul froh, dass es dazu nicht gekommen war.
    Am Dudelsackpfeiferbrunnen blieb Paul stehen und schaute sich neugierig nach seiner Verabredung um. Ein Pärchen ging an ihm vorbei, lachend und innig Händchen haltend, dann eine Familie, voll bepackt mit Einkaufstüten. Eine Rentnerin mit feistem Dackel taxierte ihn argwöhnisch.
    Schließlich näherte sich ihm ein Mann von sechzig, vielleicht fünfundsechzig Jahren. Eine Erscheinung, die man leicht übersehen konnte: nicht besonders groß, schlicht gekleidet, mit schütterem Haar und gutmütigen Augen. Unter dem Arm trug er eine Aktentasche: hellbraun, wahrscheinlich schweinsledern, war sie nach Pauls Empfinden etwas altmodisch. Auf ihrer Vorderseite prangte ein Aufkleber mit dem stadtbekannten Logo der Nürnberger Verkehrsbetriebe VAG.
    Der Mann deutete schon im Näherkommen auf Pauls Fotoausrüstung und ging dann mit offenem Lächeln auf ihn zu. Erst als er ihm direkt gegenüberstand, erkannte Paul die vielen Narben in dem rundlichen Gesicht seines Gegenübers.
    »Henlein«, sagte der Mann mit freundlicher, sanfter Stimme. »Sie sind der Zeitungsfotograf?«
    Paul schüttelte ihm die Hand. »Ja, Flemming ist mein Name, Paul Flemming.« Paul wollte sich nicht mit langen Vorreden aufhalten. »Fangen wir mit den Aufnahmen gleich an? Am besten fotografiere ich Sie an der Stelle, an der man Hauser seinerzeit fand.«
    »Nun«, lächelte Henlein noch immer freundlich, »so einfach wird sich das nicht gestalten lassen. Die exakte Stelle ist historisch nämlich nicht belegt.«
    »So?«, fragte Paul wenig begeistert. Er hatte gehofft, dass sein Gesprächspartner den

Weitere Kostenlose Bücher