Paul Klee - Die Lebensgeschichte
andere deutsche Städte ziehen, nimmt Paul skeptisch, doch mit Gelassenheit zur Kenntnis. Die Nazis haben die Macht übernommen, und Paul geht wie gewohnt seiner Arbeit nach, als sei nichts geschehen. Erst als auf dem Düsseldorfer Akademiegebäude die Hakenkreuzfahne flattert und sich ein überzeugter Nazi Direktor nennt, meidet er seinen geliebten Arbeitsraum. So langsam wird ihm klar, was es bedeutet, dass Adolf Hitler als Diktator Deutschland regiert.
Auch in Dessau findet Paul keinen Frieden mehr. Als die SA jedes einzelne Zimmer seines Hauses auf den Kopf stellt, um nach politisch verdächtigen Bildern zu suchen und seine gesamten Briefe zu beschlagnahmen, flüchtet er für kurze Zeit in die Schweiz. Es dauert nicht lange, und Professor Paul Klee ist mit sofortiger Wirkung aus der Düsseldorfer Akademie entlassen.
»Der große Klee«, heißt es in der Presse, »erzählt jedem, er habe arabisches Vollblut in sich, ist aber typischer galizischer Jude. Er malt immer toller, er blufft und verblüfft, seine Schüler reißen Augen und Maul auf, eine neue, noch unerhörte Kunst zieht in das Rheinland ein.« Obwohl Paul einen sogenannten Ariernachweis vorgelegt hat, beschimpfen ihn die Zeitungen weiterhin als »bolschewistischen Ostjuden« und »gefährlichen Kulturbolschewisten«.
»Von mir aus etwas gegen so plumpe Anwürfe zu unternehmen, scheint mir unwürdig«, vertraut Paul seinem Tagebuch an. »Denn: wenn es auch wahr wäre, dass ich Jude bin oder aus Galizien stamme, so würde dadurch an dem Wert meiner Person und meiner Leistung nicht ein Jota geändert. Diesen meinen persönlichen Standpunkt, der meint, dass ein Jude und ein Ausländer an sich nicht minderwertiger ist als ein Deutscher oder ein Inländer, darf ich von mir aus nicht verlassen …«
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Das Jahr 1933 fängt nicht gut an für Paul: erst die Hausdurchsuchung, dann die Entlassung aus der Düsseldorfer Akademie. In dieser Zeit entsteht das düstere Bild »Geheim Richter«.
Paul lehnt es ab, sich weiter gegen die haltlosen Vorwürfe zu verteidigen. Seine Bilder verändern sich. Er malt einen düsteren »Geheim Richter«, der den Betrachter mit bedrohlichen Augen anschaut. Er erfindet Marionettenfiguren, die auf satirische Weise das Fremdbestimmtsein thematisieren. Und er malt ein Selbstporträt mit heruntergezogenen Mundwinkeln und verschlossenen Augen, auf dem ein dickes schwarzes Kreuz prangt: »Von der
Liste gestrichen«, nennt Paul das Bild. Seine Arbeit ist in Deutschland nicht mehr erwünscht.
Bild 23
Mit gedämpften Farben malt Paul ein Gesicht, aus dem Niedergeschlagenheit und Zukunftsangst sprechen. Gerade hat er in Deutschland Berufsverbot erhalten. Er ist als Künstler »von der Liste gestrichen«, wie er sein Bild nennt.
Im Exil
»Wann kommen nur endlich die Franzosen über den Rhein und befreien uns von dieser Pest!« Lily ist verzweifelt. Sanft, aber beharrlich drängt sie zur Ausreise in die Schweiz, doch Paul tut sich sichtlich schwer mit dieser Entscheidung. Natürlich haben ihn die Anfeindungen aus Deutschland tief getroffen, doch schließlich lebt er bereits seit seiner Studienzeit in München …
Lily will von seinen Einwänden nichts wissen. »In diesem Land hast du nichts mehr zu suchen«, erklärt sie bestimmt. Als die SA im selben Moment grölend am Haus vorüberzieht, springt Kater Bimbo, Pauls »weiser Mao«, fauchend vom Tisch. Paul blickt ihm gedankenverloren nach und denkt: Er hat ja so Recht.
Bild 24
Paul und Lily mit Kater Bimbo vor ihrer Wohnung im Kistlerweg 6 in Bern, 1935
»Ich bin jetzt ausgeräumt«, schreibt Paul in einem letzten Brief aus Deutschland an Felix und Euphrosine. »Morgen Abend verlasse ich wahrscheinlich diesen Ort. Es kommen dann die schönen Weihnachtstage, wo in jedem Kindskopf Glocken läuten. Ich bin in den letzten Wochen etwas älter geworden. Aber ich will nichts von Galle aufkommen lassen, oder nur humorvoll dosierte Galle. Das gibt’s bei Männern leicht. Frauen pflegen in solchen Fällen der Tränen …«
Paul und Lily kehren zunächst nach Bern in Pauls Elternhaus zurück. Ida ist inzwischen verstorben, doch Mathilde und Hans leben noch immer in dem kleinen Haus, in dem Paul seine Kind heit verbracht hat. »Wir versuchen nach vorn zu blicken«, schreibt Paul, »haben uns auch so weit gefunden, dass es gelingen wird, das Zurückliegende als Geschehen oder als Stück unserer Geschichte zu notieren, es aus dem Bereich unseres Tuns zu eleminieren.«
Ein halbes
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