Paul Klee - Die Lebensgeschichte
Kunstakademie Düsseldorf. Bei den schwierigen Umständen in Dessau kommt ihm dieses Angebot von Akademiedirektor Kaesbach sehr gelegen.
Und wieder pendelt er im vierzehntägigen Rhythmus zwischen zwei Städten – für Paul ein durchaus inspirierender Zustand.
Verweilt er in Dessau, freut er sich auf seine unfertigen Bilder in Düsseldorf, und in seinem Atelier im Düsseldorfer Akademiegebäude überlegt er sich, wie er die begonnenen Werke in Dessau zu Ende bringen könnte.
An der Kunstakademie schart sich eine kleine Gruppe Studenten um Paul, die er in ihrer malerischen Entwicklung begleiten wird. Professor Paul Klee gestaltet seinen Unterricht gern zwanglos. Er verzichtet nun auf allen theoretischen Ballast und versammelt die Studenten um ihre selbst gemalten Bilder. Dann wird gemeinsam diskutiert, analysiert und überlegt, was man an dieser Stelle anders oder an jener Stelle hätte besser machen können. Im Anschluss werden Zigaretten getauscht und in gemütlicher Runde da weiter philosophiert, wo man vorhin unterbrochen wurde.
Überhaupt gefällt Paul das Leben in der gepflegten Rheinmetropole ausgesprochen gut. Zumal er hier regelmäßig Besuch von Felix bekommt, der eine Stelle als Regisseur am Düsseldorfer Stadttheater angenommen hat. Felix kommt stets in Begleitung seiner Frau Euphrosine – Paul kann es gar nicht fassen, dass sein »kleiner« Sohn schon verheiratet ist! Lebhaft erinnert er sich an die Hochzeit in Basel. Natürlich hatte er es sich nicht nehmen lassen, gemeinsam mit Lily als Trauzeuge dabei zu sein. Gleich sechs Paare auf einmal wurden im Basler Domhof getraut, wohl um dem stotternden Standesbeamten einige Worte zu ersparen – und den Beteiligten allzu feierliche Ernsthaftigkeit. Allein bei dem Gedanken an diese Veranstaltung muss Paul laut lachen!
Paul freut sich, Felix und Euphrosine in seiner Nähe zu wissen. Fast täglich kommen sie im Atelier vorbei und der Meister öffnet auf das verabredete Klopfzeichen. Er mag das fröhliche Wesen seiner Schwiegertochter, eine Sängerin aus Bulgarien, die Felix am Theater kennen gelernt hat. Gerade bewundert sie Pauls neueste Arbeit. Das lichterfüllte Atelier mit den riesigen Fensterfronten zu allen Seiten hat ihm Lust auf Farbe gemacht. Er experimentiert mit einer heiteren Pünktchentechnik, dem Pointillismus, der fünfzig Jahre zuvor von französischen Künstlern erfunden wurde. Nach unendlich viel Kleinarbeit sieht das Bild mit den winzigen Pinseltupfern aus, findet Euphrosine, wie ein Mosaik aus tausend Steinchen. Paul erklärt ihr, dass er die Leinwand zunächst mit verschiedenen Farben bemalt habe, um darauf mit einem extra angefertigten Stempel Deckweißpunkte zu setzen. Anschließend habe er auf die kleinen Stempelabdrücke Farbe aufgetragen – Gelb, Orange, Blau und Grün, ganz dünn, damit das Weiß noch durchscheint und die Farben daher so kräftig leuchten. Euphrosine kann sich gar nicht satt sehen an dem Bild, das Paul »Ad Parnassum« nennt. Der Titel lässt sie an den mythischen Berg Parnass in Griechenland denken, der als Sitz der Musen gilt. Aber irgendwie erinnert das Bild auch an eine Pyramide – hat Felix nicht erzählt, dass sein Vater vor ein paar Jahren in Ägypten war? Und über der Pyramide brennt die Sonne – schon allein bei dem Anblick wird ihr ganz warm.
Bild 21
Das Erklimmen eines Berges ist wie das Erreichen eines Zieles oft mit viel Mühe verbunden. Nach Tausenden kleinen gesetzten Punkten ist Pauls Meisterwerk fertig: »Ad Parnassum«.
Während Euphrosine noch in das Bild vertieft ist und Felix von seiner letzten Opernaufführung berichtet, bereitet Paul auf zwei Spirituskochern das Essen vor. Jeden Morgen geht er auf den nahe gelegenen Markt und kauft ein. Mal gibt es Hammelkeulen mit provenzalischen Kräutern, mal frischen Fisch und immer wieder eine Art Risotto mit Tomaten, Felix’ Leibgericht und
Pauls absolute Spezialität. Danach wird türkischer Mokka serviert, den Paul so sehr liebt, dass er selbst den Kaffeesatz noch restlos auslöffelt.
Maulwurfszeiten
Tief getroffen verlässt Paul Deutschland. Er wird nicht mehr zurückkehren.
Ü ber Deutschland ziehen unterdessen dunkle politische Wolken auf, doch Paul lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. »Über die Wahlen kann man natürlich nur den Kopf schütteln«, schreibt Paul an Lily, »aber Schwarzsehen liegt mir einmal nicht.«
Die gewaltigen Fackelzüge der Nationalsozialisten, die in der Nacht des 30. Januar 1933 durch Düsseldorf und
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