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Paul, mein grosser Bruder

Paul, mein grosser Bruder

Titel: Paul, mein grosser Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Lindquist
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Licht ausging. Ich tastete mich zurück zum Lichtschalter. Dann öffnete ich den Koffer.
    Er war größtenteils mit Kleidung gefüllt, aber auch mit einigen Büchern und ein paar Fotoalben. Ich kannte keine dieser Sachen. Es müssen Pauls gewesen sein, dachte ich und fragte mich, warum ich nicht auch diese Sachen übernommen hatte. Ich betrachtete ein Paar dunkelgraue Hosen mit einem kaum sichtbaren Rautenmuster und musste einsehen, dass die Kleidung noch viel zu groß für mich war.
    Ich kramte eine Weile und fand eine Tischtenniskelle. Der Gummibelag war ausgetrocknet; er löste sich von der Holzplatte, als ich mit meiner Hand über die vertrocknete Oberfläche strich. Dann fand ich eine andere Kelle, die aussah, als wäre sie in einem deutlich besseren Zustand. Ich schlug damit vorsichtig auf meine Knöchel. Ja, die taugte noch zu etwas. Dann ging das Licht erneut aus. Ich machte es an und wollte gerade alles wieder einpacken, als ich eine Jeansjacke auf dem Boden des Koffers entdeckte. Eine hellbraune Jeansjacke. Ich zog sie hervor und stellte verwundert fest, dass sie aus Wildleder war.
    Sie fühlte sich steif an und roch muffig. Der rechte Ärmel war genau am Ellenbogen kaputt. Aber sie passte mir. Ich behielt sie und packte die anderen Sachen wieder ein. Ich lächelte in mich hinein, als ich zurück zum Treppenhaus ging.
    Mama wollte gerade gehen, als ich durch die Tür kam. Ihr Lächeln erstarrte, als sie mich sah.
    »Zieh sie sofort aus !« , sagte sie beinahe fauchend.
    »Was? Warum denn?«
    »Zieh sie aus !«
    Papa kam mit der Angler-Zeitung in der Hand in den Flur. Er blieb stehen, als er mich sah.
    »Mein Gott !« , murmelte er. Mama hatte Tränen in den Augen.
    »Zieh die Jacke aus, Jonas«, sagte Papa und umarmte Mama.
    »Aber die passt doch genau«, sagte ich. »Die ist total schick. Solche kann man ja nicht mehr kaufen. Kann ich sie denn nicht behalten ?«
    Mama fing an zu weinen. Papa legte seinen Arm um sie; er drehte die Augen nach oben und bedeutete mir, die Jacke auszuziehen. Widerwillig gehorchte ich. Mama löste sich aus Papas Arm und riss die Jacke an sich. Die Tränen liefen über ihre Wangen.
    »Was ist denn los ?« , fragte ich. »Ich verstehe ja, dass die von Paul ist, aber ich verstehe nicht, warum ich sie nicht behalten kann .«
    Papa streichelte mir mit seiner trockenen Hand etwas unbeholfen über die Wange. »Es ist die, die er getragen hatte ... als er starb«, flüsterte er.
    Mama schluchzte und trocknete sich die Augen mit ihrem Handrücken. »Wie sehe ich denn aus !« Sie seufzte, warf die Jacke von sich und verschwand im Badezimmer.
    »Beruhige dich, Jonas«, sagte Papa. »Wir werden später darüber reden. Heute Abend. Aber lass Mama jetzt erst mal weg, sonst wird sie noch trauriger .«
     
    Nach einer Weile kam sie aus dem Badezimmer. Sie lächelte mich etwas verlegen an und strich mir über die Wange. Ihre Hand duftete nach Seife.
    »Ich muss jetzt gehen. Else wartet. Ich komme in ein paar Stunden nach Hause. Bis dann!«
    Die Tür fiel ins Schloss. Papa sah mich an. Er sagte nichts. Ich fand, dass er plötzlich wie ein kleiner Junge aussah, traurig und ein bisschen unsicher. Er streichelte das hellbraune Wildleder. Dann öffnete er die Tür zur Garderobe und presste die Jacke unter die andere Kleidung auf dem obersten Regalbrett. Er presste sie wirklich. Als ob es ein Kraftakt wäre.
    Ich dachte an Paul. Und an Mama und Papa. Plötzlich fühlte ich mich völlig zittrig und schwach. Fast wirr. Ich ging in mein Zimmer und setzte mich auf mein Bett.
    Pauls Tod wirkte wieder so nahe. Paul wirkte nahe.
    Ich hatte die Jacke gesehen, die er während seines letzten Waldspaziergangs getragen hatte. Ich hatte sie sogar anprobiert. Es war nicht verwunderlich, dass Mama sich so aufgeregt hatte und traurig war, als sie mich sah.
    Ich dachte über den kaputten Ärmel nach. Konnte es sein, dass er riss, als Paul überfahren wurde? Ja, so muss es gewesen sein. Aber war das möglich? Hätte er die Jacke getragen, als er überfahren wurde, wäre sie doch völlig zerrissen? Wie konnte es sein, dass jemand, der sie getragen hatte, an den Verletzungen, die er bei einem Unfall erlitten hatte, gestorben ist, während die Jacke nur einen Riss am Ärmel abbekommen hatte? Und überhaupt, wie hatte Paul den herannahenden Zug nicht bemerken können? Die Motoren dröhnen doch und der Damm bebt doch ebenfalls. Paul hatte angeblich mitten auf den Gleisen gestanden, das hatten Mama und Papa erzählt.
    Warum

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