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Paul ohne Jacob

Paul ohne Jacob

Titel: Paul ohne Jacob Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula Fox
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nur ein Ei zu zeigen und er machte Luftsprünge wie ein tollpatschiges Känguru.
    Würde Jacob jemals in der Lage sein, etwas allein zu machen? Warum konnte er nichts lernen?
    Das waren ganz persönliche Fragen, mit denen Paul sich herumschlug. Aber zu seinem Entsetzen rutschten sie ihm eines Tages heraus und er stellte sie Dr. Newman, einer Therapeutin, zu der die Familie Coleman seit Jacobs Geburt von Zeit zu Zeit ging.
    Daddy hatte gesagt: »V ielleicht möchtest du mit Dr. Newman mal allein sprechen?« Mom war wie eine Rakete vom Stuhl hochgeschossen und die beiden hatten blitzschnell das Sprechzimmer verlassen, während Paul auf dem Plastikstuhl zurückblieb. In dem Schweigen, das nach dem Abgang seiner Eltern einsetzte, schaute Dr. Newman ihn mit einem leichten Lächeln auf den Lippen freundlich an. Er schwenkte den Blick von ihr weg – wie war es möglich, dass sein Blick so schwer war? – und heftete ihn auf die Wand hinter ihrem Schreibtisch, auf ein langweiliges Bild, das einen Gebirgszug darstellte.
    Urplötzlich platzte er mit den Fragen heraus, die bis zu diesem Augenblick etwas ganz Geheimes gewesen waren. Der Klang seiner Stimme war ihm entsetzlich peinlich; es lag so ein schrilles Jammergeschrei darin.
    »Er lernt ständig dazu«, sagte Dr. Newman. »Deine Mutter ist Klavierlehrerin, daher verstehst du etwas vom Tempo. Jacobs Tempo unterscheidet sich von deinem, es ist langsamer. Aber es ist dennoch ein Tempo da.«
    Er starrte ihre langen, scharlachrot lackierten Fingernägel an und fragte sich, wie sie damit eine Zahnbürste halten oder Toastkrümel aufklauben konnte. Ein anderes Mal, diesmal in Gegenwart seiner Eltern, sagte Dr. Newman ihm, dass er der wichtigste Mensch in Jacobs Leben wäre.
    Ihre Worte bohrten sich wie Dornen in Pauls Schädel. Und dort blieben sie, bis er sie nicht mehr still für sich wiederholen konnte, weil er seine Mathe-Hausaufgaben machen musste.
    Es gab Augenblicke, in denen sich Paul vorstellte, dass Jacob ein Stern war, so wie die Sonne. Er und Daddy und Mom, Jacobs Zahnarzt, seine Babysitter – sogar Grandpa – und sämtliche Ärzte, die sich um seine Wehwehchen kümmerten, waren kleine Planeten, die bis in alle Ewigkeit um ihn kreisten.
     
    Eines Nachmittags kam Paul von einem Besuch bei einem Schulfreund erst ziemlich spät nach Hause.
    Er entdeckte Jacob in seinem Zimmer, wo er wie ein großer Depp ganz allein auf dem alten Flickenteppich hockte. Pauls Bücher, seine Spielsachen und sogar seine Kleidungsstücke lagen überall verstreut, so als wäre ein Tornado durchs Fenster hereingeweht.
    Paul konnte nicht anders. Als Jacob sich lächelnd zu ihm umdrehte und seinen Namen rief, brüllte Paul so laut wie ein Löwe: »Ich hasse dich! Du Blödmann! Blödmann! Blödmann!«
    Mom kam ins Zimmer gestürzt, dicht gefolgt von Daddy, der gerade nach Hause gekommen war und es noch nicht mal geschafft hatte, seinen Mantel auszuziehen. Beide riefen durcheinander.
    »Paul! Warte!«
    »Nicht!«
    »Lass das!«
    Jacob weinte. Mom wies Paul an, in sein Zimmer zu gehen, aber sofort.
    »Ich bin in meinem Zimmer«, rief er mit bebender Stimme.
    Sie sahen wie Wahnsinnige aus. Jacob hatte sie zum Wahnsinn getrieben.
    »Jacob braucht ein eigenes Zimmer. Wir brauchen mehr Platz«, sagte sein Vater grimmig.
    Paul hörte sie schon seit Monaten über mehr Platz sprechen. Einige Male, wenn er gerade nichts mit Grandpa unternahm, war er bei der Suche danach mitgekommen. Er hatte die Luft von »mehr Platz« eingeatmet, in staubigen Zimmern, die nach alten Teppichen rochen.
    Aber alles war zu teuer. Eine Eigentumswohnung konnten sie sich nicht leisten und die Mieten waren zu hoch. Paul kam da nicht mehr ganz mit. Zu Hause war zu Hause. Aber eines Tages war es dann nicht mehr zu Hause.
    Daddy fand eine Tierarztpraxis in der Klinik einer Kleinstadt, die auf Long Island lag und Brasston hieß. Mit dem Zug waren es achtundfünfzig Minuten, wenn die Züge fahrplanmäßig fuhren. Die Colemans wollten Ende Juni umziehen, nachdem Paul die fünfte Klasse hier im Stadtteil beendet hatte.
    Wenn er an die anderen Kinder in seiner Klasse dachte, wenn er sich vorstellte, wie einige von ihnen zur Lehrerin hinsahen oder auf die Tafel hinter ihr schauten oder auf das große Ziffernblatt der Wanduhr oder wie sie aus den dreckigen Fenstern zu den dreckigen Fenstern im Gebäude gegenüber starrten, dann glaubte er, dass ihm nur die vertraute Umgebung fehlen würde. Aber wenn er in seiner Vorstellung näher an

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