Erst ich ein Stück, dann du! Klassiker - Die Schatzinsel - Nahrgang, F: Erst ich ein Stück, dann du! Klassiker - Die Sc
Ein seltsamer Gast
Ich heiße Jim, Jim Hawkins, und ich will euch von dem gefährlichsten Abenteuer meines Lebens erzählen. Überhaupt ist es ein Wunder, dass ich noch lebe und davon berichten kann.
Als die Geschichte begann, führte meine Mutter ein kleines Wirtshaus an der Küste, und ich unterstützte sie dabei, so gut ich konnte.
Die Geschäfte gingen schlecht,
vor allem seit mein armer Vater
viel zu früh verstorben war.
Fremde verirrten sich ganz selten
zu uns. Doch eines Tages
stand er vor unserer Tür:
Ein Seemann in zerlumpter Kleidung
und mit einer großen Seemannskiste.
Er ließ seinen Blick über die Bucht schweifen und begann dann zu singen.
„Fünfzehn Mann auf der Kiste des Toten – jo-ho-ho, und eine Flasche mit Rum!“
Der Gesang jagte mir einen Schauder über den Rücken. Und es wurde noch schlimmer, als der Fremde die Gaststube betrat. Er war zwar alt, aber groß und kräftig – und hatte unzählige Narben. Eine besonders lange lief quer über seine Backe. An seinem Gürtel baumelte ein Messer.
Mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete, verlangte er nach Rum. So beeilte ich mich, das Gewünschte zu bringen. Er leerte das Glas in einem Zug und verkündete dann: „Hier gefällt es mir. Deshalb will ich eine Weile bei euch wohnen.“
Meine Mutter und ich wechselten einen Blick. Der Fremde war uns unheimlich, aber wir konnten uns die Gäste nicht aussuchen. Von da ab wohnte der alte Seemann unter unserem Dach.
Zunächst machte er uns wenig Mühe. Meistens stromerte er draußen bei den Klippen herum und schaute mit einem großen Fernrohr aufs Meer hinaus, als ob er auf jemanden warten würde. Aber die Zeit verging und er bekam niemals Besuch.
Eines Tages nahm er mich beiseite
und raunte mir zu:
„Halte die Augen offen, Jim!
Wenn einer kommt,
der nur ein Bein hat,
dann lass es mich wissen!“
„Ein Einbeiniger?“, fragte ich erschrocken. „Was will der denn von Euch?“
Der Alte flüsterte: „Hüte dich vor ihm!“
Mehr verriet er nicht. Ich spürte seine Angst und fragte lieber nicht weiter. Von da an träumte ich jede Nacht von einem Mann mit einem Holzbein. Das Tapp-Tapp, wenn er mich in meinen Träumen verfolgte, klingt mir heute noch in den Ohren.
Es war ein eiskalter Tag im Winter. Ich war allein zu Haus. Meine Mutter machte Besorgungen, und der Seemann trieb sich wie üblich irgendwo am Strand herum.
Es dämmerte bereits, da betrat ein Unbekannter die Gaststube. Erleichtert stellte ich fest, dass er noch beide Beine hatte. Aber seine Art zu sprechen gefiel mir nicht.
Mit einschmeichelnder Stimme erkundigte er sich: „Söhnchen, wohnt hier vielleicht mein alter Freund Bill Bones?“
Diesen Namen hatte ich noch nie gehört und zuckte mit den Schultern. Der Fremde schaute mich listig an und fragte: „Habt ihr einen Gast mit einer Narbe im Gesicht?“
Ich nickte. Da rieb sich der Mann die Hände und meinte hämisch: „Ich werde dem alten Bill eine schöne Überraschung bereiten.“
In diesem Augenblick
öffnete sich die Tür und
unser ahnungsloser Gast trat ein.
Beim Anblick des Fremden wurde er
leichenblass und keuchte:
„Der Schwarze Hund!“
„Genau der!“, gab der andere mit einem tückischen Grinsen zurück.
„Und was willst du?“, fragte der Seemann.
„Das weißt du genau“, erwiderte der Mann mit dem seltsamen Namen. „Du hast etwas, das uns allen gehört. Teile mit uns, wie es Brauch ist unter Schiffskameraden! “
„Schiffskameraden?“ Der alte Seemann hatte seine Fassung wiedergewonnen. Drohend baute er sich vor seinem Gegenüber auf.
„Wo waren denn die Schiffskameraden, als es mit dem alten Flint zu Ende ging? Ich allein habe ihm beigestanden. Und deshalb gehört es mir, nur mir!“
Blitzschnell hatte er sein Messer gezogen und ging damit auf den Besucher los. Doch der konnte sich mit einem Sprung zur Tür in Sicherheit bringen.
„Wir sind noch nicht fertig miteinander, Billy Bones!“ Mit diesen Worten drehte er sich um und flüchtete.
Der alte Seemann schwankte. „Hilf mir hinauf “, verlangte er mit zitternder Stimme. Auf meine Schulter gestützt schleppte er sich in seine Kammer. „Sie werden wiederkommen“, schnaubte er. „Der Schwarze Hund und noch viel schlimmere! Das Geschenk vom alten Flint wollen sie holen. Aus meiner Kiste wollen sie es stehlen. Lauf ins Dorf! Die Polizei soll kommen. Sag, hier kann sie das ganze Piratenpack verhaften!“
„Piraten?“, fragte ich entsetzt.
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