Pern 06 - Der Weisse Drache
das Saatgut persönlich in Empfang und dankte Jaxom so überschwenglich, daß sich der seiner List fast ein wenig schämte.
»Ich wollte vor dem Burgverwalter nicht aufdringlich erscheinen, Baron Jaxom, aber das vorbereitete Feld ist wirklich sehr groß, und ich möchte einen guten Ertrag erzielen, um das Vertrauen zu rechtfertigen, das Baron Lytol im mich gesetzt hat. Darf ich Ihnen vielleicht eine Erfrischung anbieten? Meine Frau …«
Nur seine Frau? »Gern. Der Morgen ist ziemlich kühl.« Er gab Ruth einen liebevollen Klaps, stieg ab und folgte Fidello ins Haus. Anerkennend stellte er fest, daß der große Wohnraum genauso ordentlich wirkte wie damals für ihren erwarteten Besuch.
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Corana war nirgends zu sehen, aber Fidellos hochschwangere Frau erriet sofort den wahren Grund seiner Rückkehr.
»Die anderen arbeiten auf der Flußinsel«, meinte sie mit einem leichten Lächeln, während sie heißen Klah servierte.
»Sie schneiden Schilf. Mit Ihrem prachtvollen Drachen, Baron Jaxom, ist das sicher nur ein Sprung.«
»Glaubst du wirklich, daß der Baron unseren Leuten beim Schilfschneiden zuschauen will?« fragte Fidello, aber seine Frau gab darauf keine Antwort.
Nachdem sie noch ein paar höfliche Floskeln ausgetauscht hatten, stieg Jaxom mit Ruth auf und kreiste eine Weile über dem Hof, dann lenkte er den Drachen ins Dazwischen und zu einem Berg, der weit entfernt von jeder Siedlung lag. Die braune Echse Fidellos folgte ihnen.
»Beim Ei! Ruth, sag ihr, daß sie verschwinden soll!«
Im nächsten Augenblick war die braune Echse nicht mehr zu sehen.
»So – und nun bringe ich dir bei, wie ein Drache Feuerstein frißt!«
Das kann ich schon.
»Denkst du! Ich habe mich oft genug mit Drachenreitern unterhalten und weiß, daß das gar nicht so einfach ist.«
Ruth schnaubte verächtlich, während Jaxom einen faustgro-
ßen Feuersteinklumpen aus seinem Vorrat klaubte. »Und jetzt stell dir deinen zweiten Magen vor!«
Ruth deckte beide Lider über die Augen, als er den Brocken in Empfang nahm. Das krachende Geräusch beim Zermahlen des Gesteins ließ ihn zusammenzucken. Er riß die Augen weit auf, und Jaxom fragte verwirrt: »Mußt du solchen Lärm machen?«
Es ist immerhin Stein!
Er zog das innere Lid über die Augen und schluckte. Ich denke an meinen zweiten Magen, erklärte er mit Nachdruck, ehe Jaxom ihn erneut daran erinnern konnte. Später schwor der 102
Jungbaron, daß man die zerkauten Brocken geradezu in den Schlund des Drachens rollen hörte. Die beiden saßen da und schauten einander an; sie wußten beide nicht so recht, was als nächstes geschehen sollte.
»Eigentlich müßtest du jetzt rülpsen.«
Weiß ich. Und ich weiß auch, wie man rülpst. Aber ich schaffe es nicht auf Befehl.
Jaxom bot ihm höflich einen zweiten, etwas größeren Brocken an. Diesmal fielen die Kaugeräusche leiser aus. Ruth schluckte und schien ein wenig auf seinen Hinterpfoten zu schwanken.
Oh!
Diesem Gedankenstöhnen folgte ein Rumpeln; Ruth starrte ängstlich seinen weißen Bauch an und öffnete das Maul. Mit einem leisen Aufschrei warf sich Jaxom zur Seite, gerade noch rechtzeitig, ehe ein dünner Flammenstrahl aus der Drache n-schnauze drang. Ruth zuckte zurück, und nur der aufgestützte Schwanz verhinderte, daß er vor Schreck umkippte.
Ich schätze, ich brauche noch mehr Feuerstein, um eine ordentliche Flamme zu erzeugen.
Jaxom bot ihm mehrere kleine Brocken an. Ruth zermalmte sie rasch. Und noch rascher stieß er Gaswolken aus.
So sieht die Sache schon besser aus, meinte er befriedigt.
»Gegen Fäden würden die paar Flämmchen aber nichts
ausrichten.«
Statt einer Antwort sperrte Ruth nur den Rachen auf und verlangte mehr Feuerstein. Der Vorrat, den Jaxom mitgebracht hatte, ging im Nu zur Neige. Aber am Ende schaffte es der Drache, einen breiten Feuerstrahl gegen die Felsen zu hauchen.
Ein schwarze r Streifen zog sich quer durch Flechten und Unkraut.
»Ich glaube, das klappt immer noch nicht so recht.«
Warte ab, bis wir die Fäden aus der Luft bekämpfen!
»Damit lassen wir uns erst mal Zeit. Für den Anfang reicht 103
der Beweis, daß du Feuerstein verträgst.«
Daran habe ich nie gezweifelt.
»Ich auch nicht, Ruth, aber …« – Jaxom seufzte schwer –
»wir werden eine Menge von dem Zeug brauchen, ehe du es schaffst, eine schön gleichmäßige Flamme zu erzeugen.«
Ruth wirkte so niedergeschlagen, daß Jaxom ihn sofort tröstete und an den Augenwülsten
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