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Pferde, Wind und Sonne

Pferde, Wind und Sonne

Titel: Pferde, Wind und Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cescco
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stampfte der Hengst zögernd, wiegte seinen Körper unschlüssig vor- und rückwärts. Dann schlug er mit einem gewaltigen Satz die Richtung ein, in die sie ihn lenkte. Karin schmiegte sich an das Pferd, schlang die Arme um den Hals. Die zurückschnellenden Zweige zerkratzten ihr Rücken und Schultern. Sie vernahm das Krachen der Äste, ein zischendes Knistern. Vor ihr erhellte ein bläulicher Schimmer die Rauchschwaden: Reine Luft, der See! Ein mächtiger Sprung schien den Hengst vom Boden loszulösen. Sekundenlang glaubte Karin zu schweben. Klatschendes Aufspritzen, dann gleichmäßiges Plätschern: >Glanzstern< watete bis zum Bauch im Wasser. Karin richtete sich auf, ohne die Mähne loszulassen. Sie fühlte, wie der Hengst mit kräftigen Stößen den See durchschwamm. Endlich faßten seine Füße wieder Grund. Einige kurze Sprünge brachten ihn ans Ufer, das er triefend erklomm. Vor dem Hintergrund der sich ausdehnenden Dunstwolken, die Schilf und Buschwerk düster einhüllten, wurden >Glanzstern< und seine Reiterin für alle Augen sichtbar. Karins Haar hing in nassen Strähnen, ihre zerkratzten Arme bluteten, die Beine waren schlammverschmiert, ihr Hemd zerrissen. Aber ihre Erscheinung war seltsam; ihr Gesicht trug einen Ausdruck ruhiger Gelassenheit.
    Tante Justine stand überrascht da, während Karin im gleichmäßigen Galopp durch das Schilf ritt. Tante Justine stützte den Kolben des Gewehrs auf den Boden. In ihrem gebräunten Gesicht zuckten die Falten um die Mundwinkel, und ihre Augen blickten fragend. Welcher Wagemut, welches Geheimnis befähigte die schüchterne, kleine Fremde, den wildesten, unzähmbarsten Hengst ihrer Herde zu reiten, der soeben seinen Rivalen getötet hatte und den sie selbst erschießen wollte?
    Die Gardians, denen es inzwischen gelungen war, das bereits bis zum Sumpfgebiet vorgedrungene Feuer einzudämmen, blickten erstaunt und sprachlos zu Karin hinüber. Stolz und befangen zugleich, ritt sie wie im Traum dahin. Sie bemerkte Mireille und Alain, die sie anstarrten; aber sie hielt nicht bei ihnen an, noch nicht! Sie lenkte den Hengst auf Tante Justine zu und brachte ihn vor ihr zum Stehen. >Glanzstern< war fügsam und ruhig. Nur das Beben seiner Augenlider und manchmal ein Zucken der Muskeln verrieten seine tiefwurzelnde Scheu und Unruhe.
    Mit ungewöhnlich sanfter Stimme sprach Tante Justine endlich. »Also, Karin, wir möchten gerne eine Erklärung von dir.« Karin senkte den Kopf und wickelte eine Strähne der nassen Mähne um ihre Finger. »>Glanzstern< kannte mich. Ich...ich habe ihn gepflegt, als er verletzt war. Ich traf ihn jede Nacht am Strand. Aber nur Thyna habe ich es zu verdanken, daß ich ihn reiten kann...«
    »Dieser alten Hexe?« bemerkte Pierre.
    Tante Justine beachtete ihn nicht. »Weiter«, sagte sie zu Karin. »Thyna legte ihm die Hand auf die Stirn, und da wurde >Glanzstern< sanft. Ich weiß nicht, was sie mit ihm gemacht hat.« Sie hob den Kopf und blickte Tante Justine offen in die Augen: »Sie wollten ihn erschießen, weil er >Schwarz< getötet hat. Aber er hatte ja keine andere Wahl. >Schwarz< machte ihm die Herde streitig! Hätte >Glanzstern< seinen Rivalen nicht besiegt, wäre er getötet worden.«
    Karins schmutziges, verschwitztes Gesicht nahm einen flehenden Ausdruck an. »Bitte, tun Sie ihm nichts!« Dann glitten ihre Blicke zu Alain hinüber, der stocksteif auf >Rosa< saß und nichts zu hören und nichts zu sehen schien.
    »Verzeih mir«, bat Karin Alain schlicht. »Es war nicht recht von mir, dir das zu verschweigen.«
    Alain zog mit ausdrucksloser Miene die Schultern hoch. Die Gardians schwiegen.
    Tante Justine betrachtete nachdenklich den großen Hengst. Sie reichte Constantin, der hinter ihr stand, das Gewehr und machte einen Schritt, dann noch einen auf >Glanzstern< zu. Das Pferd rührte sich nicht. Die Züchterin umfaßte mit einer Hand seinen Unterkiefer, die andere legte sie ihm an die Stirn. Ein Zucken lief über >Glanzsterns< Fell. Er verharrte aber regungslos, während Tante Justine ihn prüfend betrachtete. Allmählich verflog das Zittern. Er neigte seinen mächtigen Kopf und beschnupperte ihre Schulter.
    Tante Justine stieß einen Seufzer aus. Sie sagte halblaut, wie zu sich selbst: »Ja, er ist gezähmt... und wahnsinnig ist er bestimmt nicht...« Dann trat sie zur Seite. Ihre Stimme klang beinahe hart, als sie sich an Karin wandte: »Laß ihn jetzt laufen! Ich werde später meine Entscheidung treffen.«
     

Fünfzehntes

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