Philippas verkehrte Welt
für dich bin?«
»Quatsch«, hatte Mariel geantwortet und fast so theatralisch, wie Arletta es immer tat, die Augen verdreht. »Was du immer gleich denkst!«
Ich hatte gefunden, dass es nicht ganz ehrlich klang, den fiesen Stich in der Brust aber tapfer ignoriert.
»AuÃerdem hättest du ja mitkommen können«, hatte sie dann hinzugesetzt.
»Was? Zu Arlettas Party?«
»Klar.«
»Aber ich war doch überhaupt nicht eingeladen.«
»Na und.« Mariel hatte ihre langen braunen Haare zurückgeworfen und mich in die Seite geknufft. »Du bist doch meine Freundin.«
Sie hatte ihr typisches glucksendes Mariel-Lachen gelacht und mich an sich gedrückt, und plötzlich war es wieder da gewesen, dieses wunderbare Zusammengehörigkeitsgefühl, das uns seit unserer Geburt miteinander verband. Mariel und ich, die Schulbrote, Zahnbürsten und Socken miteinander teilten, die dieselben Kinofilme und Bücherreihen liebten, auf Klassenreisen immer bis in die frühen Morgenstunden wach blieben und sich gemeinsam gegen die frechsten Jungs zur Wehr setzten.
Am schönsten aber waren die Stunden im Schrebergarten von Mariels Tante Susanne, Birgittas Schwester. Dort hatten Mariel und ich Schnecken gezüchtet, verwundete Schmetterlinge verarztet, nach Schätzen gegraben oder im Anschluss an ein schweiÃtreibendes Federballspiel einfach nur faul in der Sonne gelegen.
Bei dem Gedanken daran war mir ganz plüschig ums Herz geworden, und plötzlich hatte ich es kaum noch erwarten können, dass es endlich Frühling wurde und wir wieder in den Schrebergarten fahren konnten. Vielleicht würde Mariel dann endlich zur Besinnung kommen und kapieren, dass Arletta, Neomi und Tiffany einfach nur hohl in der Birne und auÃer zum Sims -Spielen oder in Modezeitschriften blättern kaum zu etwas zu gebrauchen waren.
»WeiÃt du was?«, hatte Mariel meine Träumereien unterbrochen und mich mit einem Schlag in die Wirklichkeit zurückgeholt. »Neomi hat doch in vier Wochen Geburtstag.«
»Ja und?«
»Na ja, sie wird dich natürlich auch nicht einladen.«
»Klar.« Ich legte sowieso keinen Wert darauf.
»Diesmal kommst du trotzdem mit«, hatte Mariel bestimmt gesagt, doch ich hatte ebenso energisch mit dem Kopf geschüttelt.
»Hach, und warum nicht?«, hatte Mariel daraufhin gestöhnt und mich mit einem Ruck wieder losgelassen.
»Ich mag Neomi nun mal nicht besonders.«
»Du kennst sie doch gar nicht richtig.«
Ach, verdammt, ich kannte sie gut genug, um zu wissen, dass ich sie niemals mögen würde. Sie, Arletta und Tiffany passten einfach nicht zu mir. Aber wie sollte ich das Mariel bloà klarmachen, wenn die mir nicht einmal richtig zuhören wollte und am Ende womöglich sogar noch beleidigt war?
»Sie kann mich doch auch nicht leiden«, hatte ich deshalb nur geantwortet.
»Logisch«, hatte Mariel voller Ungeduld zurückgegeben. »Weil du dich ihr, Arletta und Tiffy gegenüber immer so abweisend verhältst. Was sollen sie denn da auch denken!«
»Ach, jetzt bin ich also schuld, oder was?«
»Nein.« Abermals hatte Mariel die Augen verdreht. »So war das doch nicht gemeint. Ich weià schon, dass es wegen der Klamotten ist. Aber deshalb musst du dich wirklich nicht schämen.«
»Hä?« In diesem Moment hatte ich gar nichts mehr begriffen.
»Na ja, in deinen ausgeleierten Pullis oder diesem T-Shirt, das du mit den komischen bunten Perlen bestickt hast, kannst du natürlich nicht zu Neomis Party gehen«, war Mariel mit einem fast mitleidigen Lächeln fortgefahren. »Am besten, ich leih dir was von mir, dann wird es garantiert keinem dort auffallen, dass du eigentlich nicht dazugehörst.«
Tja, und an diesem Satz hatte ich nun eine ganze Weile zu knabbern.
Drei Wochen vergingen, in denen sich allmählich alles veränderte, bis zwischen Mariel und mir nichts mehr so wie früher war. Plötzlich spielten Dinge eine Rolle, die bis vor Kurzem noch völlig unwichtig gewesen waren. Zum Beispiel die Einkommensverhältnisse und der Wohnort unserer beiden Familien. Damit verhielt es sich nämlich folgendermaÃen:
Birgitta hatte drei Jahre nach Mariels Geburt in einem Versicherungsbüro einen Halbtagsjob als Schreibkraft angenommen und sich dort schnell bis in die Chefetage hochgearbeitet. Mama dagegen war noch zweimal schwanger geworden und
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