Philippas verkehrte Welt
Ringelmützenstreit
Ist es dir schon mal passiert, dass dein Leben von heute auf morgen vollkommen durcheinandergeschüttelt wurde? Ich meine richtig durcheinander? Sodass am Ende kein Stein mehr auf dem anderen lag und du nicht einmal mehr wirklich sicher sein konntest, ob du nun Philippa heiÃt oder Ottilie oder gar Chrysantheme? Und alles nur, weil es im Oberstübchen einer Krankenschwester ein paar Kurzschlüsse gegeben hat?
Aber lass mich von vorn beginnen. Bis Mitte Juni dieses Jahres dachte ich nämlich noch, dass mein Name das Ungewöhnlichste in meinem Leben sei. â Philippa!
So hieÃen Katzen, alte Tanten, Feen und vielleicht auch Prinzessinnen, aber keine fast zwölfjährigen Mädchen, die weder blonde Locken und Flügel noch Runzeln oder Fell besaÃen.
Okay, wenn ich es mir hätte aussuchen können, hätte ich mich für das Fell entschieden und wäre als Katze ins Reich meiner besten Freundin Mariel eingezogen. Dann hätten wir genauso wie meine Katze Limette und ich Tag und Nacht zusammen sein können. Sie hätte mich gestreichelt und mit Leckerlis gefüttert und mir alles erzählt, was ihr auf der Seele brennt. Als Katze wäre ich natürlich nicht in der Lage gewesen, etwas dazu zu sagen oder Mariel irgendwelche Ratschläge zu geben, aber immerhin hätte ich geduldig zuhören und im Falle eines Falles schnurrend Trost spenden können.
Vor allem aber hätte Mariel sich um mich kümmern müssen. Sie hätte nicht mehr sagen können: »Och nö, heute habe ich doch keine Lust auf dich«, und dann einfach unsere Verabredung platzen lassen, weil sie lieber vor dem Computer sitzen und Sims spielen oder mit Arletta und deren dusseligen Freundinnen abhängen wollte.
Tja, zwischen Mariel und mir lief es in dieser Zeit im Frühjahr leider nicht gerade perfekt. Und das fühlte sich nicht nur ziemlich dämlich, sondern total verkehrt an. Immerhin kannten wir uns schon seit unserer Geburt.
Na ja, zumindest waren wir im selben Krankenhaus zur Welt gekommen, Mariel allerdings eine Woche später als ich. Aber unsere Mütter waren damals von derselben Hebamme betreut worden, und die war es am Ende auch, die uns zusammengebracht hatte, indem sie Mama und Birgitta denselben Rückbildungsgymnastikkurs empfahl.
Eigentlich müsste ich dieser Frau dankbar sein, denn ohne sie hätte ich Mariel wahrscheinlich nie kennengelernt.
Mariels Mutter Birgitta und Mama verstanden sich damals jedenfalls auf Anhieb. Nach dem Gymnastikkurs schleppten sie uns mit schöner RegelmäÃigkeit in unseren bunten Tragetüchern ins Café Luffo , um uns bei einer Tasse Tee oder einem süÃen Malzbier zu stillen und über Gott und die Welt zu reden.
Schon bald trafen sie sich mehrmals in der Woche, und letztendlich war es nur logisch, dass Mariel und ich später in dieselbe Krabbelgruppe, denselben Kindergarten, dieselbe Grundschule und vor knapp anderthalb Jahren schlieÃlich auch auf dieselbe Gesamtschule gekommen waren.
Mariel und ich waren wie Schwestern und gleichzeitig wie beste Freundinnen, und bis auf ein paar kurze, heftige Streits verstanden wir uns immer supergut. Bis sie völlig überraschenderweise auf Arlettas Geburtstagsparty eingeladen worden war â und tatsächlich hinging. Ohne mich, versteht sich. Es war mir verdammt schwergefallen, aber ich hatte mich zusammengerissen und ehrlich versucht, ihr keine Vorwürfe zu machen und auch sonst keine Show abzuziehen. Insgeheim hatte ich nämlich gehofft, dass sie Arletta und ihre beiden GroÃkotzfreundinnen Tiffany und Neomi, die wir aus der Badmintongruppe kannten, hinterher noch ätzender finden würde und wir dann so richtig über sie ablästern könnten. Doch Pustekuchen! Plötzlich war dieses bescheuerte Ich-krieg-alles-was-ich-will-und-trage-nur-die-teuersten-In-Klamotten das Maà aller Dinge.
»Phily«, hatte Mariel nämlich am Tag nach der Party zu mir gesagt, »wenn man es zu etwas bringen will, muss man mit den richtigen Leuten verkehren.«
Ich hatte sie angestarrt, als wäre sie nicht Mariel, sondern ein Mädchen von einem anderen Stern, das zufälligerweise bloà so aussah wie meine beste Freundin. So ein krauses Zeug hatte sie nämlich noch nie von sich gegeben.
»Was soll das denn heiÃen?«, hatte ich erwidert und mir fast eine Delle in die Stirn getippt. »Etwa, dass ich der falsche Umgang
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