Picasso kann jeder

derjenige Ihr Gespräch mitbekommen, hatte aber nicht aufmerksam zugehört. Ihre Äußerung, die er vielleicht nur halb bewusst aufnahm, scheint auf einmal in seinem Bewusstsein auf. Der Zuhörer ist dann selbst fest davon überzeugt, die überraschende Äußerung sei sein eigener Einfall gewesen. So leicht können Ideen dem, der sie hatte, en passant »verlorengehen«, und plötzlich tauchen sie in Gesprächen von anderen oder mit anderen wieder auf, ohne dass wir genau wüssten, auf welchen Umwegen die Einfälle zu ihnen gelangt sind.

    Auf jeden Fall ist die tägliche kreative Kraft sehr nützlich. Sie ist ein Werkzeug, das viele Menschen leider kaum nutzen. (Warum das so ist und welche Vorteile sie verspricht, behandle ich in Kapitel 3.)
Wege durch das Buch
    Die Kapitel dieses Buchs stehen für sich und können auch in frei gewählter Reihenfolge gelesen werden.
Weg: Wenn Sie nur einen raschen Überblick suchen, mit welchen Methoden man auf eine Idee kommt, werden Sie mit Kapitel 9 beginnen und dann je nach Interesse weiterlesen.
Weg: Sie wollen Ihre Kreativität nutzen. Nun sollten Sie erst Ihren Blick für Kreativität, speziell für die täglich verfügbare Kreativkraft, schärfen, also werden Sie nach dem 1. Kapitel mit Kapitel 2 und 3 fortfahren, wo Sie lernen, was Kreativität ist (darüber gibt es viele Missverständnisse), und wo Sie zahlreiche Beispiele für Alltagskreativität finden. Sie werden entdecken, dass Sie in Ihrem Leben auch schon oft kreativ waren. Danach könnten Sie in Kapitel 4 prüfen, ob Ihnen kreative Lösungen gefallen. Vielleicht schauen Sie einmal in Kapitel 14, um Beispiele für lösbare Probleme zu finden. Danach nehmen Sie sich vielleicht eigene kreative Projekte vor und studieren Kapitel 9 zu den Methoden der Ideenfindung.
Weg: Sie interessieren sich ganz allgemein dafür, was man über Kreativität weiß, und wollen auch Ihre eigene Kreativität nutzbar machen. In diesem Fall sollten Sie die Kapitel der Reihe nach lesen.

2. Was ist kreativ?
    Ganz wichtig zu Beginn: Man muss sich klarmachen, was das ist, »kreativ zu sein«. Im Alltagsgebrauch ist die Verwendung des Wortes »kreativ« so schwammig, ja manchmal sogar widersprüchlich, dass man damit nicht viel anfangen kann und das Ziel »Kreativität« vielleicht sogar verfehlt.
Was bedeutet »kreativ?«
    Eine Leistung, die neu und gleichzeitig nützlich ist, bezeichnet man als kreativ. Die Person, die solch eine Leistung vollbringt, ist kreativ.
    Viele kreative Menschen haben wiederholt verschiedene kreative Werke hervorgebracht. Kreativität scheint also eine dauerhafte Eigenschaft von Personen zu sein. Kreative Menschen fragen sich immer und in jeder Lebenslage: Kann man das noch verbessern? Sie sind in ganz verschiedenen Bereichen kreativ.

    Otto Lilienthal (1848 – 1896) erfand einen neuen Kesseltyp für eine Kleindampfmaschine, er erfand eine der ersten Flugmaschinen, einen Vorläufer des Flugzeugs. Er schrieb aber auch das Theaterstück »Moderne Raubritter« und vertrat sozialutopische Ansätze, kurzum, Lilienthal war seiner Zeit weit voraus, als er seinen Mitarbeitern eine 25-prozentige Gewinnbeteiligung gewährte. Wie in seinem Fall ist die Bereitschaft zur Kreativität bei vielen Menschen zur allgemeinen Grundeinstellung geworden.

    Nun kann eine solche Leistung in unterschiedlichem Maße bedeutungsvoll sein. Es kann sein, dass sie für die ganze Menschheit Bedeutung hat und nützlich ist. Es ist vielleicht sehr aufwendig, diese Idee zu entwickeln, und mühevoll, sie durchzusetzen. Die Evolutionstheorie Darwins ist eine solche Leistung. Das könnten wir als »geniale« oder »große« Kreativität bezeichnen. Nur wenige Menschen können solche Leistungen erbringen.
    Es kann sein, dass die Leistung zwar »neu« ist, aber nur für einige Menschen ein wenig nützlich. Vielleicht ist es auch nicht so schwer, darauf zu kommen. Dennoch ist auch das kreativ. Diese Kreativität könnten wir als »Alltagskreativität« bezeichnen. Eine solche Kreativität spielt sich naturgemäß meist in den Wissensbereichen des Alltags oder des Hobbys ab. Die Hauptaussage dieses Buches lautet: Jeder Mensch ist in seinem Leben immer wieder auf diese Weise kreativ. Gerade im Gespräch kommt es oft zu ganz neuen und treffenden Formulierungen, ohne dass man sehr viel Aufhebens davon machen würde. Bei jeder Schwierigkeit helfen originelle Improvisationen, oder es gelingt ein überraschender Witz.

    Alltagskreativität im Berufsalltag: Ein