Jeder Kuss ein Treffer
EINS
Destiny Moultrie hatte langes schwarzes Haar, das ihr Gesicht umrahmte wie Seide. Sie musterte die zierliche Hand von Annie Fortenberry, studierte jede Linie. »Du wirst einen großen, dunkelhaarigen, gut aussehenden Mann kennenlernen …«
Annie Fortenberry entzog Destiny ihre Hand. »Oh, nein, bitte nicht! Du willst mir doch wohl keinen … keinen Typen aufschwatzen!«
Destiny hob die Augenbraue. »Magst du keine Männer? An einem eisig kalten Wintermorgen sind sie ganz praktisch.«
Die zierliche Frau gegenüber von Destiny nickte. Sie saßen an einem Bauernhaustisch aus Pennsylvania, an dem ohne weiteres zwölf Personen Platz fänden.
Eine dicke Strähne kupferroten Haars fiel Annie in die Stirn. Sie schob sie in den zerzausten Wust, der ihr bis knapp auf die Schultern reichte und ihr noch mit dreißig ein mädchenhaftes Aussehen verlieh. »Das stimmt allerdings«, sagte sie. »An einem richtig kalten Wintermorgen, wenn man lieber im warmen Bett bleiben möchte, statt die Mülltonne an die Straße zu stellen. Aber das ist auch alles, wozu ein Mann nützlich ist.«
»Dann spreche ich besser gar nicht weiter. Die wirklich guten Sachen behalte ich lieber für mich.«
»Gute Sachen?« Annies grüne Augen leuchteten interessiert auf. Richtig gute Sachen konnte sie in ihrem Leben durchaus gebrauchen. Sie gab Destiny ihre Hand zurück.
»Hier steht, der Sex wird der Hammer!«
Annie zog ihre Hand wieder fort und betrachtete die Linien darauf. »Wo steht das hier? Das hast du dir doch gerade ausgedacht!«
»Die Heilige Göttin der Liebe denkt sich nichts aus!«
Annie schaute auf und sah Destinys ernsten Gesichtsausdruck. Obwohl der Tag kaum angefangen hatte, war die Frau bereits sorgfältig geschminkt. Sie hatte ihre tief liegenden indigoblauen Augen und die hohen Wangenknochen betont. Annie fragte sich, wie lange Destiny wohl brauchte, um so auszusehen. Sie selbst war morgens in nur drei Minuten fertig; ihr Make-up bestand aus einer leichten Grundierung, um die Sommersprossen zu kaschieren, und einem raschen Strich mit dem Zauberstab der Wimperntusche. »Hm«, machte Annie und versuchte, den Zweifel in ihrer Stimme zu verbergen. Aber ihre Freundin Jamie Swift hatte behauptet, Destiny sei das Nonplusultra. »Sehr interessant.«
Destiny musste niesen. »Oh-oh! Ich habe anscheinend recht. Wenn ich auf der richtigen Fährte bin, muss ich immer niesen.«
»Guter Sex, ja?«, wiederholte Annie. »Mensch, dann muss ich es mir vielleicht doch noch mal überlegen. Solange ich den Kerl nicht für den Rest meines Lebens am Hals habe«, fügte sie hinzu. Eigentlich wäre sie unverbindlichem Sex gegenüber lieber offener und lockerer gewesen. Aber nein, sie lebte nach dem Rat der Kummerkastentante, dass man nicht miteinander ins Bett gehen sollte, wenn man sich nicht liebte. Offenbar litt die Kummerkastentante nicht an dieser Hormonüberproduktion, die Annie oft an Sex denken ließ.
Wieder nieste Destiny. »Oh, das war aber heftig. Entweder treffe ich den Nagel auf den Kopf, oder ich bekomme eine Erkältung. In meinem Zimmer hat es letzte Nacht gezogen.«
Annie stand auf und eilte zur Küchentheke, wo eine Packung Papiertücher stand. Sie zog einige heraus und reichte sie Destiny die sich damit die Nase betupfte. »Tut mir leid, dass du dich letzte Nacht verkühlt hast«, sagte Annie.
»Bisher war der Winter so warm, dass ich die Heizung noch gar nicht angestellt habe.«
Das stimmte. In Beaumont herrschten Rekordtemperaturen für Februar. Nicht mehr lange, und alles würde in voller Blüte stehen. Schon bohrten sich neue Triebe durch die Erde. Am großen Pfirsichbaum vor ihrem alten Haus hatte Annie schon winzige Knospen entdeckt. Aber das Herrenhaus aus der Zeit vor dem Bürgerkrieg, jetzt ein Bed & Breakfast, war von gewaltigen jahrhundertealten Eichen umgeben, die nur wenig Sonnenlicht durchließen. Auch der westindische Korallenstein, aus dem das Haus gebaut war, hielt es immer gut zehn Grad kühler als die Außentemperatur.
Destiny stützte die Ellenbogen auf den Tisch. Auf dem Stuhl neben ihr reckte sich eine dicke getigerte Katze namens Peaches und sprang mit einem lauten Plumps zu Boden. Sie lief zu ihrer leeren Futterschale hinüber, starrte sie kurz an und drehte sich dann zu Annie um, als wollte sie sagen: Was ist
mit meinem Futter?
»Die Zugluft letzte Nacht in meinem Zimmer hatte nichts mit Kälte zu tun«, sagte Destiny. »In diesem Haus spukt es.«
»Ach, ja?« Annie hob die Augenbraue.
»Hier
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