Piesberg in Flammen
offensichtlich Beste an dieser Ehe
das beiderseitige Schweigen war.
Frauke prostete dem Kriminalhauptmeister zu, dann erhob sie das Glas
in Richtung seiner Frau. AnschlieÃend nippte sie am Rotwein. Es war eine gute
Idee von Putensenf gewesen, sie hierher in den Jazzclub zu entführen, zum
ersten ruhigen Abend seit ihrer Ankunft an der Leine. Und dass das dritte
Mitglied ihres Teams, der schwergewichtige Hauptkommissar Nathan Madsack, der
bei jeder Bewegung ins Schnaufen kam, hier als fetziger Boogie-Woogie-Pianist
auftrat, war eine besondere Ãberraschung gewesen. Das hätte sie dem korpulenten
Mann nicht zugetraut.
Erneut nippte sie am Weinglas und sah sich um. Geschwätziges Treiben
herrschte in den Katakomben des Clubs, der in Hannover Kult war. Im Publikum
fehlten die ganz jungen Leute, die offenbar keinen Bezug zu dieser Musik
hatten. Dafür fanden sich hier Damen und Herren, denen man getrost das Attribut
»betagt« zusprechen konnte, bewusst lässig gekleidete »Silveragers«, wie die
Generation der Fünfzig- bis Sechzigjährigen genannt wurde, ein paar auf
jugendlich getrimmte Oberstudienräte und andere, die mit ein wenig Glück nicht
zum Schaulaufen hier waren, sondern weil sie Gefallen an dieser Musik fanden.
Sicher gehörten auch Jakob Putensenf und seine Frau dazu.
Frauke lächelte ihn an und musterte das zerfurchte Gesicht mit den
grauen Haaren, dem gepflegten Bart, der Oberlippe und Kinn zierte und in dem
das Weià dominierte. Ob es Putensenf in diesem Moment schwerfiel, auf seine
geliebten Zigarillos zu verzichten?, dachte Frauke. Kriminalhauptmeister â
einer der wenigen Beamten, die noch zum mittleren Dienst gehörten, da der
Einstieg in die Polizeilaufbahn heute beim Kommissar begann. Putensenf, so
hatte Kriminaloberrat Ehlers ihn damals vorgestellt, war ein altgedienter
Haudegen, dessen Lebensweg ihn irgendwann vom gelernten Handwerker zur
Kriminalpolizei geführt hatte, eine Karriere, die heute undenkbar war. Damit
verzichtete man aber auf Menschen, die auf andere Art schon Einblicke in »das
Leben« genommen hatten, dachte Frauke.
Sie zuckte unmerklich zusammen, als ihre Gedanken zu dem Anruf
zurückkehrten. Man hatte ihr eine Todesdrohung zukommen lassen. Natürlich war
die Ermittlungsgruppe für organisierte Kriminalität etwas anderes als das
Aufklären von Einbrüchen in Gartenlauben. Trotzdem kam es selten vor, dass
Polizeibeamte mit Mord bedroht wurden. Irgendwie schien Frauke in ein
Wespennest gestochen zu haben, als sie die drei Morde und die Zusammenhänge
zwischen diesen Tötungsdelikten aufgeklärt hatte. Täter und Motive waren
ermittelt. Doch die auf ihren Prozess wartenden Mörder waren nur Handlanger
gewesen. Die Auftraggeber, die hinter diesen Taten standen, liefen noch frei
herum. Und diese Freiheit wollten sie sich bewahren. Deshalb schreckten diese
Leute nicht davor zurück, der Ermittlungsleiterin die Drohung zukommen zu
lassen: »Wir werden Sie töten!«
ZWEI
Während das Wochenende für die meisten Menschen Entspannung und
Ausgleich bedeutete, hatte Frauke dem Montag entgegengefiebert. Der Sonntag
verhieà Untätigkeit. Sie kannte niemanden in der Stadt, und der kurze
Spaziergang am Sonntagnachmittag hatte ihr auch nicht die Zerstreuung gebracht,
die sie sich erhofft hatte. Im engen Hotelzimmer fühlte sie sich nicht zu Hause,
und die Möglichkeiten der Beschäftigung reduzierten sich auf Lesen und
Fernsehen. Nach einer unruhigen Nacht war sie schon früh ins Landeskriminalamt
gefahren.
Sie gestand sich ungern ein, dass die Drohung vom vergangenen
Samstag sie mehr beschäftigte, als ihr lieb war. In Flensburg hätte sie das K1 auf die weiteren Ermittlungen angesetzt.
Hier galt es, Kriminaloberrat Ehlers zu überzeugen, dass die Mordserie noch
nicht abgeschlossen war. Es fehlten noch die Hintermänner. Zudem konnte sie die
Ernsthaftigkeit der Drohung nicht einschätzen. Es gab immer wieder überführte
Straftäter, die im Zorn Drohungen gegen die Beamten oder die
Strafverfolgungsbehörden ausstieÃen. Das war meistens nicht ernst zu nehmen. In
diesem Fall waren es aber nicht die überführten Täter, sondern unbekannte
Dritte.
Frauke hatte sich in ihr Büro zurückgezogen und studierte noch
einmal die Akten des Falls, auch wenn der Abschlussbericht noch nicht erstellt
war. Sie fand keinen Ansatz für weitere Verdächtigte. Das musste
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