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Pilot Pirx

Pilot Pirx

Titel: Pilot Pirx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Vorsitzender war weiterhin Hoyster, aber nur deshalb, weil niemand auf der Erde diesem Amt gewachsen war; die Teilnehmer waren achtzig Millionen Kilometer voneinander getrennt, und die Beratung konnte sonst nicht richtig ablaufen. Wenn man sich zu einer so riskanten Lösung durchgerungen hatte, dann sicherlich nur unter dem starken Druck, der auf der Erde schon herrschen mußte. Die Katastrophe hatte die widersprüchlichsten – auch politischen – Meinungen aktiviert, in deren Brennpunkt das ganze Projekt schon seit langem arbeitete.
    Zuerst wurden nur die bisherigen Untersuchungsergebnisse rekapituliert – für die Leute auf der Erde. Von ihnen kannte Pirx nur den Generaldirektor der Werft, einen gewissen van der Voyt. Bei aller getreuen Wiedergabe schien ihm das Farbfernsehbild monumentale Züge zu verleihen; es zeigte die Büste eines sehr großen Mannes mit schlaffem und zugleich straffem Gesicht voll herrischer Energie, umschwebt von Zigarrenrauch aus unsichtbarer Quelle, denn van der Voyts Hände waren verdeckt. Was im Saal gesagt wurde, hörte er mit vierminütiger Verspätung, und erst nach weiteren vier Minuten konnte seine Stimme hier vernommen werden. Pirx fand ihn sofort unsympathisch, denn der Generaldirektor schi⁠en allein unter ihnen zu weilen, so als wären die anderen irdischen Experten, die auf den übrigen Bildschirmen zu sehen waren, nur Statisten.
    Auf Hoysters Bericht folgten die acht Minuten Wartezeit, aber die Leute von der Erde wollten vorerst nicht das Wort ergreifen: Van der Voyt wollte die Bänder aus der Rakete sehen, die schon vor Hoysters Mikrofon bereitlagen. Jedes Mitglied der Kommission hatte sie vollzählig bei der Hand. Es waren nicht viel, wenn man bedachte, daß die Aufzeichnungen nur die letzten fünf Arbeitsminuten des Steuerkomplexes enthielten. Die Kameraleute nahmen die für die Erde bestimmten Bänder aufs Korn, und Pirx beschäftigte sich mit den seinen, wobei er zuerst diejenigen beiseite legte, die er dank Haroun bereits kannte.
    In der 239. Sekunde hatte der Computer beschlossen, das Landemanöver abzubrechen und auf Start zu gehen. Es war kein gewöhnlicher Start, sondern eher ein Ausweichen nach oben, wie vor Meteoren oder vor Gott weiß was, denn es sah aus wie eine verzweifelte Improvisation. Was dann folgte, diese verrückten Kurvensprünge auf den Bändern, hielt Pirx für völlig unwesentlich, denn dort ging es nur noch um die Art und Weise, in der der Computer erstickt war, weil er die Suppe, die er sich selbst eingebrockt hatte, nicht mehr auslöffeln konnte. Wesentlich war jetzt nicht die Analyse der Einzelheiten dieser makabren Agonie, sondern die Ursache der Entscheidungen, die im Endeffekt einem selbstmörderischen Akt gleichkamen. Diese Ursache war und blieb unklar. Von der 170. Sekunde an hatte der Computer unter gewaltigem »Stress« gearbeitet, er war völlig überlastet gewesen, aber das wußte man jetzt, da man die letzten Ergebnisse seiner Arbeit vor Augen hatte: Seinen Steuerraum, das heißt die Leute des »Ariel«, hatte er erst in der 201. Sekunde des Manövers darüber informiert, daß er überlastet war. Schon da erstickte er an Daten – und forderte ständig neue an. Statt Erklärungen hatten sie also neue Rätsel in die Hände bekommen. Hoyster setzte zehn Minuten für das Studium der Bänder an und bat dann um Wortmeldungen. Pirx hob die Hand wie auf der Schulbank, doch ehe er den Mund öffnen konnte, bemerkte Ingenieur Stotik, ein Vertreter der Werft, der die Entladung der Hunderttausender überwachen sollte, daß man doch warten möge, ob vielleicht jemand von der Erde als erster sprechen wollte. Hoyster zögerte. Es war ein unangenehmer Zwischenfall, zumal er gleich zu Beginn passierte. Romani bat in einer protokollarischen Angelegenheit ums Wort und erklärte, daß weder er noch ein anderer vom Agathodaemon weiter an den Beratungen teilzunehmen beabsichtigte, falls eine formale Beachtung der Gleichberechtigung aller Mitglieder ihrem Verlauf zu schaden drohe. Stotik gab nach, und Pirx konnte endlich sprechen. »Wir haben es offenbar mit einer verbesserten Version des AIBM 09 zu tun«, sagte er. »Da ich fast tausend Stunden mit dem AIBM 09 geflogen bin, habe ich gewisse praktische Erfahrungen in bezug auf seine Arbeitsweise. In der Theorie kenne ich mich nicht aus. Ich weiß nur das unbedingt Nötige. Es handelt sich um einen Computer, der in realen Zeitgrenzen arbeitet und immer die Bearbeitung der Daten schaffen muß. Ich habe

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