Pilot Pirx
Schmetterling« und die Radarlokalisierung arbeiteten voneinander unabhängig. Der »Schmetterling« wurde von einem Sender betätigt, der mit den Sauerstoffventilen des Skaphanders verbunden war und auf einer Frequenz arbeitete, die nahe dem Infrarot lag, der Strahl des Lokalisators – auf der Einhalbzentimeterwelle. Die Instruktion sah vor, daß sich immer nur ein Mitarbeiter außerhalb der Station aufhalten durfte. Der andere hatte währenddessen das »Auge« und den Lokalisator zu beobachten. Bei einem Unfall war er selbstverständlich verpflichtet, dem Kameraden auf dem schnellsten Wege zu Hilfe zu eilen.
In der Praxis galt das Auswechseln der Klischees im Schacht als ein harmloser, kurzer Ausflug. Der Zurückbleibende konnte, wenn er die Küchentür und die Tür zur Funkstation öffnete, die Apparatur beobachten, ohne das Kochen zu unterbrechen. Es war auch möglich, eine Sprechverbindung über Funk aufrechtzuerhalten, mit Ausnahme einiger weniger Stunden vor dem Morgengrauen, denn das Nahen des Terminators, der Grenzlinie zwischen Tag und Nacht, kündigte sich durch einen Hagel von Geräuschen an, die ein Gespräch unmöglich machten.
Pirx untersuchte gewissenhaft das Spiel der Signale. Wenn die Klappe geöffnet wurde, leuchtete das rote Lämpchen am Schaltpult auf. Der grüne »Schmetterling« leuchtete, aber er bewegte sich nicht, und seine »Flügel« waren zu schmalen Fäden zusammengeschrumpft – es fehlten die Signale von außen. Der Strahl des Lokalisators kreiste regelmäßig auf der Scheibe und beschwor darauf die unbeweglichen Silhouetten der felsigen Umgebung. Er erstrahlte an keiner Stelle seines Umlaufs und bestätigte die Meldung des Atmungszeigers, daß sich kein Skaphander in seinem Wirkungsbereich befand.
Es versteht sich von selbst, daß Pirx die Apparatur besonders interessiert beobachtete, wenn Langner hinausging, um die Klischees auszuwechseln.
Das rote Lämpchen flammte auf und verlosch – Langner schloß die Klappe von außen. Der grüne »Schmetterling« begann zu pulsieren. Das Pulsieren beschleunigte sich nach wenigen Minuten unerheblich, denn Langner ging ziemlich rasch den Hang hinauf und atmete stärker. Der helle Schein seines Skaphanders war auf dem Schirm bedeutend länger zu sehen als die Felskonturen, die sogleich verloschen, wenn der Leitstrahl vorüber war. Dann schrumpfte der »Schmetterling« plötzlich und klappte die Flügel zusammen – der Schirm war leer, der Schein des Skaphanders verschwand. Langner war in den Schacht gestiegen, dessen Bleiwände den Strom der Signale abschnitten. Gleichzeitig flammte auf dem Hauptschaltbrett purpurn das Wort ALARM auf, und das Bild, das im Lokalisator zu sehen war, änderte sich. Die Radarantenne, die immer noch mit der gleichen Bewegung kreiste, verringerte ihren Neigungswinkel, um nacheinander immer weitere Segmente des Geländes zu durchkämmen. Das geschah, weil die Apparatur nicht wußte, was sich ereignet hatte: der Mensch war plötzlich aus dem Bereich ihrer elektromagnetischen Macht verschwunden. Nach drei, vier Minuten begann der »Schmetterling« wieder zu fächeln, das Radargerät fand den Verlorenen wieder, beide voneinander unabhängigen Systeme registrierten seine erneute Gegenwart. Langner hatte den Schacht verlassen und kehrte zurück. Das Alarmzeichen leuchtete noch immer, man mußte es ausschalten. Tat man das nicht, so besorgte das nach zwei Stunden der Zeitausschalter – die Apparatur sollte nicht zuviel Strom verbrauchen, denn in der Nacht schöpften sie nur aus den Akkus. Am Tage lud die Sonne die Akkus auf.
Pirx stellte fest, daß die Apparatur nicht sonderlich kompliziert arbeitete. Langner mischte sich in diese Experimente nicht ein. Er glaubte den Protokollen. So oder ähnlich müsse sich das Unglück abgespielt haben, sagte er. Außerdem war er der Meinung, daß sich Unfälle nicht vermeiden ließen.
»Die Klischees?« erwiderte er auf Pirx’ Einwurf. »Die Klischees haben gar keine Bedeutung. Wenn man zerstreut ist, passieren einem noch ganz andere Sachen. Die Logik verläßt uns viel früher als das Leben, und dann beginnt jeder sinnlos zu handeln.« Pirx verzichtete auf eine weitere Diskussion.
Die zweite Woche der Mondnacht neigte sich ihrem Ende zu. Nach allen Untersuchungen wußte Pirx genausoviel wie zuvor. Soll der tragische Unfall tatsächlich für immer unaufgeklärt bleiben? fragte er sich. Vielleicht gehörte er zu den Ereignissen, die in Millionen von Fällen eben einmal vorkommen
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