Pilot Pirx
verankerten Stahlbänder, die den riesigen Stapel zusammenhielten. Zugluft drang zur Tür herein, ganze Wolken von Schmutz wirbelten schwerelos auf, Staubteilchen, Sägespäne von Holzwolle wogten sanft im Wind wie Entengrütze auf dem Wasser. Pirx war bereits im Korridor, als er plötzlich Laute vernahm, die sich in regelmäßigen Abständen wiederholten.
»A-c-h-t-u-n-g ...«
Drei Schläge ...
Er driftete eine Weile im Luftstrom, der ihn immer höher trug. Ob er wollte oder nicht – er mußte hinhören. Da verständigen sich zwei, sagte er sich. Die Signale waren schwach – die Morsenden schienen mit ihren Kräften hauszuhalten. Sie klopften mal langsamer, mal schneller, einer von ihnen irrte sich dauernd, als habe er das Morsealphabet vergessen. Hin und wieder schwiegen sie längere Zeit, dann wieder sendeten sie gleichzeitig. Der finstere Korridor mit den spärlichen Lampen wirkte endlos, er atmete eine grenzenlose Leere, wie der Wind, der in ihm wehte.
»S-i-m-o-n-h-ö-r-s-t-d-u-i-h-n ...«, tönte es langsam und stockend im Rohr.
»H-ö-r-e-n-i-c-h-t-s – h-ö-r-e-n-i-c-h-t-s ...«
Pirx stieß sich kräftig von der Wand ab, zog die Beine an und sauste wie ein Stein die Korridore entlang. Je weiter er kam, desto dunkler wurde es. An dem feinen rötlichen Staub, der die Lampen bedeckte, erkannte er, daß er sich dem Heck näherte. Die schwere Tür zur Atomkammer war nur angelehnt. Er warf einen Blick hinein.
Kühle Luft schlug ihm entgegen. Die Kompressoren schwiegen, sie wurden zur Nacht abgeschaltet. Ab und zu gluckste es in der Rohrleitung, die in der Betonwand verborgen war. Es hörte sich merkwürdig an – fast wie eine menschliche Stimme –, wenn sich die Gasblasen einen Weg durch die zäher werdende Flüssigkeit bahnten.
Terminus, von Kopf bis Fuß mit Zement bespritzt, war in seine Arbeit vertieft. Über seinem Schädel, der sich pendelartig bewegte, surrte ein Ventilator. Pirx hielt sich am Geländer fest und glitt die Treppe hinunter, ohne die Stufen zu berühren. Die stählernen Pranken des Roboters klirrten nicht allzu laut, wenn sie gegen die Wand prallten – die Schläge wurden durch die frische Betonschicht gedämpft.
»H-ö-r-e-n-i-c-h-t-s – E-m-p-f-a-n-g ...«
Das Klopfen wurde immer leiser und langsamer. Woran liegt das? fragte sich Pirx. Zufall ...? Er schwebte nun dicht neben Terminus. Jedesmal, wenn sich der Roboter bückte, griffen die Gliedsegmente des Bauches übereinander, sie erinnerten an eine gekerbte Insektenhülle. In den großen gläsernen Augen flackerten die Miniaturspiegelbilder der Lampen. Pirx starrte sie an und begriff, daß er allein war in dieser Kammer mit ihren nackten Wänden – allein, ganz allein. Terminus wußte nicht, was er tat, er war eine Maschine, die festgehaltene Lautfolgen übermittelte, weiter nichts. Die Klopftöne wurden noch schwächer.
»S-i-m-o-n-a-n-t-w-o-r-t-e ...«, glaubte Pirx zu hören. Die einzelnen Zeichen ließen sich kaum noch entschlüsseln. Etwa einen halben Meter über dem Kopf des Automaten führte ein Rohr entlang. Pirx streckte die Hand aus, um es zu berühren, aber als er zugreifen wollte, schlugen seine Fingerknöchel gegen das Metall. Terminus erstarrte, die Lautfolge brach ab. Statt seiner begann nun Pirx zu morsen, er folgte einer plötzlichen Regung, es reizte ihn, sich in ein Gespräch einzumischen, das Jahre zuvor stattgefunden hatte.
»W-a-r-u-m-a-n-t-w-o-r-t-e-t-m-o-m-s-s-e-n-n-i-c-h-t – E-m-p-f-a-n-g ...«
Kaum hatte er die ersten Zeichen geklopft, als auch Terminus wieder zu hämmern begann. Beide Lautfolgen vermengten sich, aber der Automat schien Pirx’ Frage verstanden zu haben, denn seine schaufelartige Hand hielt mitten in der Bewegung inne. Sekundenlang verharrte sie regungslos, dann fuhr sie fort, den Zement gegen die Wand zu klatschen.
»W-e-i-1-s-e-i-n-e-r-e-c-h ...«
Pause ... Terminus bückte sich, schöpfte frischen Zementbrei. Pirx hielt den Atem an. Wird er den Satz fortsetzen? fragte er sich. Der Automat richtete sich auf, schleuderte den Zement an die Wand und trommelte so ungestüm, daß es nur so dröhnte.
»S-i-m-o-n-b-i-s-t-d-u-e-s – W-e-r-s-p-r-i-c-h-t-w-e-r-s-p-r-i-c-h-t ...«
Er duckte sich, zog den Kopf ein, es hagelte Schläge.
»W-e-r-s-p-r-a-c-h-a-n-t-w-o-r-t-e-w-e-r-s-p-r-a-c-h-w-e-r-s-p-r-a-c-h-w-e-r-s-p-r-a-c-h-h-i-e-r-s-i-m-o-n-h-i-e-r-w-a-y-n-e-a-n-t-w-o-r-t-e ...«
»Hör auf, Terminus!« schrie Pirx. »Hör auf, hör auf!«
Der Lärm verstummte. Terminus
Weitere Kostenlose Bücher