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 Pilot Pirx

Pilot Pirx

Titel: Pilot Pirx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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hatte er ein verlogenes Lob aussprechen müssen, natürlich, der Chef hat immer recht ...
    Zuerst spielte er nur mit dem Gedanken, der ihm gekommen war, dann begann er ihn auszuspinnen. Er ähnelte ein bißchen einem Schülerstreich, aber zugleich auch einem heimtückischen Stoß in den Rücken. Roh, unerhört grausam, doch wer weiß, vielleicht gerade in dieser Situation wirksam: diese vier Worte zu telegrafieren. Vielleicht waren all diese Verdächtigungen barer Unsinn, vielleicht bezog sich die Krankheitsgeschichte auf einen anderen Cornelius, während jener die Computer genau nach Vorschrift getestet hatte und sich keiner Schuld bewußt war. Wenn er dann ein solches Telegramm erhielt, würde er die Schultern heben mit dem Gedanken, sein früherer Untergebener habe sich einen idiotischen, höchst abstoßenden Scherz erlaubt, aber mehr würde er nicht denken oder tun.
    Wenn die Nachricht von der Katastrophe jedoch Unruhe, unklare Zweifel in ihm geweckt hatte, wenn er schon ein wenig über den eigenen Anteil an dem Unglück nachdachte und sich gegen diese Gedanken wehrte, dann würden die vier telegrafierten Worte wie ein Blitz einschlagen. Er würde sich augenblicklich in einer Sache, die er selbst nicht konsequent zu formulieren wagte, durchschaut und zugleich schuldig fühlen: Dann konnte er dem Gedanken an »Anabis« und an das, was ihn erwartete, nicht mehr entfliehen; und selbst wenn er sich dagegen sperrte, das Telegramm würde ihm keine Ruhe lassen. Er würde es nicht fertigbringen, die Hände in den Schoß zu legen und in Passivität zu verharren; das Telegramm würde ihm unter die Haut gehen, sich in sein Gewissen einschleichen – und was dann? Pirx kannte ihn gut genug, um zu wissen, daß sich der Alte nicht bei der vorgesetzten Dienststelle melden würde, um ein Geständnis abzulegen, ebensowenig aber würde er versuchen, sich zu verteidigen und der Verantwortung zu entfliehen. Wenn er einmal eingesehen hatte, daß ihn die Verantwortung traf, dann würde er ohne ein Wort das tun, was er für richtig hielt.
    Aber trotzdem – so konnte man nicht vorgehen. Noch einmal spielte er alle Varianten durch – bereit, sich in die Höhle des Löwen zu begeben, ein Gespräch mit van der Voyt zu verlangen, wenn das irgend etwas nützte ... aber kein Mensch konnte ihm helfen. Niemand. Alles hätte anders ausgesehen, wären nicht »Anabis« und diese sechs Tage Frist gewesen. Den Psychiater zur Aussage zu bewegen, die Art und Weise zu überprüfen, in der Cornelius die Computer testete, den Computer des »Anabis« umzuprogrammieren – all das erforderte Wochen. Also? Den Alten erst einmal vorbereiten, durch irgendeine Nachricht, die ihm sagte, daß ...? Aber dann würde alles fehlschlagen. Cornelius würde in seinem anomalen Geisteszustand Ausflüchte finden, Gegenargumente, schließlich hat auch der redlichste Mensch der Welt so etwas wie einen Selbsterhaltungstrieb. Er würde beginnen, sich zu verteidigen, oder, was ihm ähnlicher sah, verächtlich schweigen, während »Anabis« ...
    Pirx hatte das Gefühl, zu versinken, von allem zurückgestoßen, wie in jener anderen Erzählung von Poe, Grube und Pendel, wo die leblose Umwelt den Wehrlosen Millimeter für Millimeter einzwängt und auf den Abgrund zuschiebt. Konnte es eine größere Wehrlosigkeit geben als die eines Leidens, das einen betroffen hat und für das man nun bestraft werden soll? Konnte es eine größere Niedertracht geben? Es bleibenlassen? Das wäre sicher das einfachste gewesen. Niemand würde je erfahren, daß er alle Fäden in der Hand gehalten hatte. Nach der nächsten Katastrophe würden sie der Sache von selbst auf die Spur kommen. Einmal in Gang gesetzt, würde die Untersuchung schließlich bei Cornelius landen, und ...
    Aber wenn es so war, wenn er seinen alten Chef nicht einmal retten konnte, indem er den Mund hielt, dann hatte er dazu kein Recht. Er hörte auf zu grübeln und begann zu handeln, als wären alle Zweifel von ihm genommen.
    Im Erdgeschoß war es leer. In der Laserfunkkabine saß nur der diensthabende Techniker: Haroun. Er gab folgendes Telegramm auf: Erde, USA, Boston, Syntronics Corporation, Warren Cornelius. THOU ART THE MAN. Und er setzte seinen Namen darunter mit dem Zusatz »Mitglied der Untersuchungskommission betr. Ariel-Katastrophe«. Das war alles. Er kehrte in sein Kämmerchen zurück und schloß sich ein. Dann klopfte jemand an die Tür, Stimmen waren zu hören, aber er gab kein Lebenszeichen von sich. Er mußte

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