Pilot Pirx
allein sein, denn nun überfielen ihn die quälenden Gedanken, die er erwartet hatte. Dagegen war nichts mehr zu machen.
Spät in der Nacht las er Schiaparelli, um sich nicht in hundert Varianten vorstellen zu müssen, wie Cornelius, die struppigen grauen Brauen gewölbt, das Telegramm mit dem Absender vom Mars zur Hand nahm, das raschelnde Papier auseinanderfaltete und von den weitsichtigen Augen abhielt. Er las, ohne ein Wort zu begreifen, und als er die Seite umblätterte, stieg maßloses Staunen, gemischt mit fast kindlicher Reue in ihm auf: Was denn, also ich? Ich habe das fertiggebracht?
Er hatte sich doch nicht geirrt: Cornelius steckte in der Falle wie eine Maus, er hatte keinen Spalt, keine Ritze zum Entrinnen, das ließ die Situation in der Gestalt nicht zu, die sie durch die Anhäufung der Ereignisse angenommen hatte; also warf er mit seiner spitzen, leserlichen Schrift ein paar Sätze aufs Papier, aus denen hervorging, daß er in gutem Glauben gehandelt habe, jedoch alle Schuld auf sich nehme; er unterschrieb und jagte sich um drei Uhr dreißig – vier Stunden nach Empfang des Telegramms – eine Kugel durch den Kopf. Das, was er geschrieben hatte, enthielt kein Wort über seine Krankheit, keinen Versuch der Rechtfertigung, nichts, so als billigte er Pirx’ Vorgehen nur, soweit es die Rettung von »Anabis« betraf, zu der er selbst beizutragen bereit war. Mehr nicht. Als hätte er ihm Beifall in der Sache gezollt und zugleich abgrundtiefe Verachtung für den derart versetzten Todesstoß.
Vielleicht irrte sich Pirx übrigens. So unangemessen das erscheint, ihn störte an seiner Tat besonders der stelzig-theatralische Stil, der von Poe stammte. Er hatte Cornelius mit seinem Lieblingsschriftsteller und in dessen Stil zu Fall gebracht, der ihm falsch klang, der ihm auf die Nerven ging, denn er hatte nicht das Entsetzen über das Leben in der Leiche gesehen, die aus dem Grab aufstand, um mit blutigem Finger auf den Mörder zu zeigen. Dieses Entsetzen war nach seiner Erfahrung mehr höhnisch als malerisch. Es begleitete seine Gedanken über die veränderte Rolle, die der Mars spielte, seit aus dem unerreichbaren rötlichen Fleck am nächtlichen Himmel, der undeutliche Spuren fremder Vernunft aufwies, ein Terrain normalen Lebens geworden war, also mühseligen Ringens, politischer Ränke und Intrigen, eine Welt voller lästiger Sturmwinde, Abfallhaufen, zerschellter Raketen, ein Ort, von dem aus man nicht nur das romantisch blaue Leuchten der Erde sehen, sondern auch einen Menschen tödlich treffen konnte. Der makellose, weil nur halb erforschte Mars der frühen Areographie war verschwunden und hatte lediglich die griechisch-lateinischen Runen hinterlassen, die wie alchimistische Formeln und Beschwörungen klangen, und auf deren materieller Gestalt trampelte man mit schweren Stiefeln herum. Die Epoche der hochtheoretischen Debatten war unwiderruflich hinter dem Horizont versunken und hatte erst im Untergehen ihr wahres Gesicht gezeigt – das eines Traums, der sich von der eigenen Unerfüllbarkeit nährte. Geblieben war nur der Mars der mühsamen Arbeit, der ökonomischen Berechnungen, der Tagesanbrüche, die so schmutziggrau waren wie der, durch den er mit dem Beweis in der Hand zur Sitzung der Kommission ging.
Editorische Notiz
Test (Test), Der bedingte Reflex (Odruch Warunkowy) und Albatros (Albatros) übersetzt von Caesar Rymarowicz
Die Patrouille (Patrol), Die Jagd (Polowanie), Der Unfall (Wypadek) und Die Verhandlung (Rozprawa) übersetzt von Roswitha Buschmann
Pirx erzählt (Opowiadne Pinea) übersetzt von Kurt Keim
Ananke (Ananke) übersetzt von Barbara Sparing
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