Pilze für Madeleine
herzzerreißendste, traurigste Jaulen, das ich je gehört hatte. Es klang tatsächlich so, als würde er weinen.«
Vater ging hin und fand Einar Utbom auf dem Bauch neben seinem Hackklotz liegen, die Axt steckte in einem Holzscheit. Er war mitten in einem Schlag an einer Gehirnblutung gestorben.
Vater übernahm es, den Hund zu füttern, bis jemand kam, um ihn zu töten. Zunächst ließ er ihn an seiner Laufleine und ging morgens und abends mit einer Dose Hundefutter hin. Aber er jaulte so schrecklich, daß es kaum auszuhalten war. Lange, wechselnde Töne, wie eine Katze im Frühling. Manchmal klang es beinahe menschlich, als ob er Vater rufen würde.
Mit Utbom hatte er ja nie viel Gesellschaft gehabt. Der Alte hatte in seiner Hütte gesessen oder an seinem Hackklotz gestanden, und sich nicht weiter um den Hund gekümmert. Für den Hund änderte sich also nicht viel durch Utboms Tod, und Futter bekam er von Vater.
Und doch schien er seinen Herrn zu vermissen.
Eines Tages nahm Vater seinen Mut zusammen. Er näherte sich vorsichtig dem Hund, und als er zu seinem Erstaunen mit Schwanzwedeln begrüßt wurde statt mit einem Knurren, machte er ihn von der Leine los und nahm ihn mit nach Hause.
»Ich habe ihn zuallererst gebadet«, erzählte Vater. »Er war so schmutzig und stank so schrecklich, daß ich es nicht ausgehalten hätte. Ich steckte ihn in die Badewanne, wusch sein Fell und duschte ihn ab. Er ließ sich das alles gefallen. Schaute mich nur an und gab keinen Laut von sich. Ich glaube, es gefiel ihm. Und als ich ihn mit einem Handtuch abtrocknete, genoß er es richtig.«
Dann folgte er Vater auf Schritt und Tritt. Beobachtete jede Bewegung mit einem wachsamen, hoffnungsvollen Blick. Sagte er »Fuß«, dann blieb er stehen. Es war unbegreiflich, wie der Hund das verstand, Utbom hatte sich ja nie mit ihm beschäftigt, geschweige denn ihm irgend etwas beigebracht.
»Am ersten Abend wollte er zu mir ins Bett springen. Da machte ich ihm klar, daß das nicht geht. Und er hat es seither nie mehr versucht. Kein einziges Mal.«
Vater ließ ihn auf dem Grundstück frei herumlaufen. Er stellte fest, daß der Hund nie weiter lief, als seine alte Laufleine gereicht hatte. Wenn ein Auto sich dem Haus näherte oder ein Hase durch den Wald hoppelte, lief er wild bellend los und blieb dann plötzlich mit einem Ruck stehen, als hätte ihn eine unsichtbare Leine am Weiterlaufen gehindert.
Als die Gemeinde einen Mann schickte, der den Hund erschießen sollte, schickte Vater ihn wieder weg.
»Ich behalte den Hund«, sagte Vater. »Ich würde nur gerne wissen, wie er heißt, damit ich ihn rufen kann.«
Niemand wußte, wie der Hund heißt. Wir hatten nie gehört, daß Utbom ihn rief. Agneta rief ihre Tante an, die Utbom den Hund verkauft hatte, und erfuhr, daß er als Welpe Roxy geheißen hatte. Vater probierte den Namen aus, und der Hund reagierte sofort.
Es war wirklich rührend, die beiden zusammen zu beobachten. Als Vater den Kaffee für uns machte, sprach er die ganze Zeit mit dem Hund. Der Hund saß mit gespitzten Ohren und schräg gelegtem Kopf zu seinen Füßen. Vater hatte noch nie einen so aufmerksamen Zuhörer gehabt.
»Er ist fast unheimlich intelligent.«
Es begann zu dämmern. Agneta stampfte mit den Füßen und kreiste mit den Armen, um sich aufzuwärmen. Der Hund schaute sie neugierig an. Würde da noch ein Schneeball kommen?
Ich zog sie an mich und blies ihr warme Luft auf die Wangen.
»Wir müssen bald wieder nach Hause fahren, bevor noch mehr Schnee fällt«, sagte ich.
»Ich fahre euch, wenn es zu schlimm kommt«, sagte Vater. »Ein bißchen Schnee ist kein Problem für meinen Jeep.«
»Danke, das ist lieb von dir, Vater, aber wir nehmen lieber unser eigenes Auto, wir wollen es nicht hier oben stehenlassen. Und Agnetas Eltern machen sich bestimmt bald Sorgen.«
Er begleitete uns zum Auto, und wir verabschiedeten uns. Vater umarmte Agneta – ein bißchen fester und länger, als es sich für einen werdenden Schwiegervater gehörte, aber ich sagte nichts.
»Schöne Weihnachten«, sagte er.
Das Auto startete ohne Probleme. Agneta machte das Radio an, es spielte Bridge over troubled water.
Als wir losfuhren, warf ich einen Blick in den Rückspiegel und sah ihn im Schneegestöber: einen kleinen, grün gekleideten Mann, der mit beiden Armen winkte. Der Hund beobachtete seine Bewegungen, er zitterte vor Aufregung, als ob gleich etwas ganz Wunderbares passieren würde.
Epilog
Agneta und ich
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