Die Tore nach Thulien, Buch I: Dunkle Gassen: Wilderland (German Edition)
Schmiede und Söldner
E r mochte Leuenburg auf Anhieb. Eine Stadt ganz nach seinem Geschmack. Klein, überschaubar und nur wenig Hohes Getier , wie er die gutbetuchten Bürger und Beamten nannte. Hier würde er schon eine Möglichkeit finden, seinen letzten Sold ganz nach Söldnerart aufzubringen. Die nächste Heuer stand sowieso bevor und mit ihr die Chance auf ein völlig neues Leben. Eine gute Gelegenheit also, das Bisherige gebührend zu verabschieden. Bei dem Gedanken an gutes Essen, süffiges Bier und ein weiches Bett, womöglich noch in liebreizender Gesellschaft, rieb sich Berenghor genüsslich die Hände.
Mit seinem massigen, bulligen Körper schlenderte er gelassen durch die Straßen und Gassen der alten Herzogstadt. Er ließ sich von den Massen treiben und verzichtete darauf, sich wie sonst durch die Menschenmenge zu schieben. Heute war ein schöner Tag und er hatte gute Laune, und das bedeutete, dass er gewillt war, mehr Rücksicht zu nehmen und nachsichtiger zu sein als es eigentlich seine Art war. Viel Energie musste er diesbezüglich aber nicht aufbringen, denn die Leute taten ihr Übriges. Sobald sie seine hünenhafte Gestalt sahen, begannen die meisten schon von alleine damit, Platz zu machen und der Rest schob sich spätestens beim Anblick seines narbenübersäten Gesichts zur Seite. Zwischen seinen Schulterblättern hing ein gewaltiger Zweihänder. Der Griff, der knapp über den Kopf des Söldners hinausragte, war von weitem sichtbar und ließ bereits erahnen, was der riesige Krieger auf dem Rücken trug.
Den Kopf geschoren und das Gesicht voller Bartstoppeln amüsierte er sich fast ein wenig über die Reaktionen der Menschen und ein kleiner Teil von ihm genoss es sogar. Eigentlich mied er Menschenansammlungen dieser Art ganz gerne, doch gerade nach einer längeren Anstellung wie der letzten zog es ihn zu eben jenen.
In Leuenburg würde er ein paar Tage bleiben, bis zum Beginn der Reise war ja noch Zeit. Vermutlich gerade so lange, bis sich wieder ganz von allein der Drang nach Freiheit und Einsamkeit einstellte. Nun galt es jedoch, zuerst eine nette und gemütliche Unterkunft zu finden. Nicht das ihm der nächtliche Aufenthalt im Freien etwas ausgemacht hätte, doch wenn er schon mal eine Stadt wie diese besuchte und das Soldsäckel noch dazu prall gefüllt war, hatte er nichts gegen die Annehmlichkeiten des bürgerlichen Lebens.
Neben den diversen Schönheiten der Stadt, von denen die ein oder andere auch gerne mal anbiedernd den Rocksaum hob, stach ihm nach geraumer Weile eine kleine Schmiede ins Auge. Sofort meldete sich eine in vielen Jahren antrainierte Söldnereigenart und sorgte dafür, dass er die kleine Handwerkerklitsche ansteuerte. Der nach vorn offene und nur durch einen Ladentisch vom übrigen Straßengeschehen abgetrennte Schmiederaum war klein. Der untersetzte, stämmige Schmied mit Unterarmen dick wie Baumstämme, und die augenscheinlich gehaltene Ordnung ließen Berenghor aber sofort wissen, dass er hier an der richtigen Adresse war. An den mit Ruß verschmierten Wänden hingen Schwerter und Hellebarden unterschiedlichster Machart, allesamt Zeugnisse der hohen Kunst ihres Eigentümers. Die Esse war groß und die Glut sah hervorragend aus.
Als der Schmied Berenghor bemerkte, stand er gerade am Blasebalg und blies in rhythmischen Stößen den vom Feuer so begehrten Sauerstoff hinein. Mit einem letzten, kräftigen Stoß überließ er die Glut dann sich selbst und trat an den Ladentisch. Berenghor fiel sofort auf dass der Schmied keine der sonst bei seinem Anblick gewohnten Reaktionen in den Augen zeigte. Allenfalls den gebotenen Respekt eines Handwerkers vor einem potentiellen Kunden. Nicht mehr und nicht weniger.
»Was willst du?« knurrte der Schmied und stützte sich mit seinen kräftigen Armen auf die Theke.
Berenghor korrigierte sich sofort. Dieser Schmied hatte nicht nur keinen Respekt, er war geradezu frech und ungehobelt. Eigentlich hatte er sich an einem schönen Tag wie diesem etwas anderes vorgenommen, doch nun würde er das Spielchen mitmachen. Ganz langsam beugte er sich runter, den Handwerker vor sich dabei nicht aus den Augen lassend.
»Kannst du schmieden?« fragte er und stellte dabei den größtmöglichen Zweifel, zu dem er in der Lage war, zur Schau.
Sofort verfinsterte sich der Blick seines Gegenübers. Gleichwohl hatte der sich aber im Griff und deutete mit übertrieben theatralischer Geste in die Schmiede. »Nun ja, eigentlich hatte ich mal Bäcker
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