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Pilze für Madeleine

Pilze für Madeleine

Titel: Pilze für Madeleine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Hermanson
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ausgesprochen!
    Sie standen ganz dicht beieinander auf dem Waldweg.
    Plötzlich sah ich, wie sehr sie sich glichen. Braune Augen. Gerader Rücken. Geschmeidig. Madeleine war ein kleines bißchen größer als Vater, er mußte den Blick nach oben richten, wenn er sie anschaute.
    In einer zärtlichen und respektvollen Geste berührte er ihre Wange. Dann ließ er sie stehen und eilte zu den anderen Kursteilnehmern, die sich um einen Baumstumpf versammelt hatten.
    »Und was habt ihr gefunden? Das Gemeine Stockschwämmchen, nicht schlecht«, gluckste er, beugte sich über eine in der Hocke sitzende Dame und blies ihr in den Nacken. »Sehr gut. Aber hütet euch vor einer Verwechslung mit dem Gifthäubling. Das Stockschwämmchen fühlt sich ein wenig klebrig an. Fühl mal.«
    Er nahm die Hand der Frau und ließ ihre Finger über die rundlichen, glatten Pilze gleiten.
    Madeleine wartete auf dem Weg. Sie schwang wieder ihren Eimer, ungeduldig und verstimmt. Ich wußte schon lange, daß dies die Taktik meines Vaters war. Auch wenn er immer Favoriten hatte, achtete er darauf, seine Gunst gleichmäßig zu verteilen.
    Vater erklärte mir seine Methode eines Abends, als wir im Fernsehen eine Zirkusnummer sahen. Ein chinesischer Jongleur stellte Teller senkrecht auf den Boden und ließ sie wie Kreisel rotieren. Er hielt sie in Bewegung, indem er sie hin und wieder mit einem Stöckchen anstieß. Sobald ein Teller sich zur Seite neigte und umzukippen drohte, war er mit seinem Stöckchen zur Stelle und stieß ihn an. Er mußte ständig hin- und herlaufen. Kaum hatte er einen zum Drehen gebracht, legte ein anderer sich schräg.
    Vater lachte zufrieden. »Man muß auf der Hut sein. Ständig in Bewegung. Sie am Rotieren halten!«
    Mir hätte es schon genügt, eine einzige Frau am Rotieren zu halten.
    Mein Vater wühlte ein wenig im Pilzkorb einer älteren Dame herum, schmatzte anerkennend, machte einen Scherz, der sie zum Lachen brachte, und war wieder bei Madeleine, deren Blattgoldaugen vor Feindseligkeit blitzten. (Vater hatte gesagt, manche Teller drehen sich brav und lange, um andere muß man sich öfter kümmern. Madeleine gehörte ganz offensichtlich zu letzteren.)
    »Wo waren wir? Ach ja, bei den Schleimpilzen«, sagte Vater.
    Vater wandte sich zu mir.
    »Gunnar, hör zu. Agneta Bengtsson scheint etwas Interessantes gefunden zu haben. Kümmere dich ein bißchen um sie.«
    Er zwinkerte vielsagend und gab mir einen Schubs.
    Agneta Bengtsson war ein Mädchen mit graublasser Gesichtsfarbe und beigefarbenen Haaren, sie ähnelte einem Birkenpilz, einer Art, die in Pilzbüchern manchmal als »nahrhaft, aber etwas geschmacklos« bezeichnet wird. Sie hatte die irritierende Angewohnheit, leise vor sich hin zu summen, wenn sie Pilze suchte. Bei manchen Tönen hob sie die Stimme, aber die meisten versanken in einem kaum hörbaren Gemurmel, das keine Melodie ergab.
    Agneta hatte in den letzten drei Jahren treu an jeder Exkursion teilgenommen, und da wir gleich alt waren, versuchte Vater, uns füreinander zu interessieren. Wir wechselten pflichtschuldig ein paar Worte. Aber natürlich war auch Agneta wie alle anderen meines Vaters wegen hier. Nicht meinetwegen.
     
    Ich ging jedoch folgsam zu ihr hinüber und untersuchte, was sie im Korb hatte, ein paar ziemlich uninteressante Sandröhrlinge.
    »Sandröhrling«, sagte ich und ließ die Pilze wieder in den Korb fallen.
    »Das habe ich vermutet«, sagte Agneta.
    »So, so.«
    Sie nickte.
    Dann hatten wir uns nichts mehr zu sagen.
    »Trotzdem vielen Dank«, murmelte sie.
    »Keine Ursache«, sagte ich.
    Wir setzten unsere Wanderung fort, der Nadelwald wurde lichter und ging in Laubwald über.
    Vater bewegte sich wie ein chinesischer Tellerjongleur zwischen den Kursteilnehmern und kehrte immer wieder zu Madeleine zurück. Hin und wieder versammelte er alle um sich, stieg auf einen Baumstumpf oder einen Stein und hielt spontan eine kleine Vorlesung.
    Merkwürdigerweise stießen wir gegen Ende unserer Exkursion zufällig auf eine kleine Kolonie von Stinkmorcheln. (Wenn man bei Pilzen überhaupt von Zufall sprechen konnte, Vater und ich haben diese Frage oft diskutiert. Pilze sind unberechenbar und launisch, sie wachsen an Stellen, wo man es am wenigsten vermutet, aber mein Vater sagt, das ist kein Zufall, hier geht es um Zusammenhänge, so komplex und speziell, daß wir sie nicht verstehen.)
    Da standen sie, diese eigenartigen Geschöpfe der Natur.
    Auf latein heißt der Pilz Phallus impudicus, und wer

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