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Pilze für Madeleine

Pilze für Madeleine

Titel: Pilze für Madeleine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Hermanson
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Abgelichtet zwischen Samtsofas und Perserteppichen, eingehüllt in Brokatvorhänge. Um den Hals trug sie ein zerbissenes Herzchen aus Gold. Ihr Blick war scheu und verlegen, ich war ziemlich sicher, daß sie noch unschuldig war. Ein armes Schulmädchen, das sich was verdiente, um sich ein hübsches Kleid kaufen zu können oder was sonst ein junges Mädchen haben wollte.
    Ich hatte sofort Lenas Bild heruntergerissen und Jasmine aufgehängt. Seither war Jasmine meine Frau. Sie war das erste, was ich sah, wenn ich am Morgen die Augen aufschlug, und das letzte, bevor ich einschlief.
    Aber sie hatte keine Chance mehr. Auch wenn sie noch so flehend mit ihrem verlegenen Blick auf mich herabsah und das dumme Palmenblatt unter ihre vollkommenen kleinen Brüste hielt – ich konnte nur noch an Madeleine denken.
    »Wirst du mich vergessen?« wiederholte sie.
    Ich schloß die Augen und antwortete nicht. Dann stand ich plötzlich auf, riß ihr Bild von der Wand und knüllte es zusammen. Dann legte ich mich auf das Bett und schaute die Tesafilmreste an, die auf dem Haferflockenmuster der Tapete glänzten.

4
    Mein Vater war ein Stadtkind, die Hinterhöfe und die Straße waren sein Spielplatz. Seine Eltern waren arme, ungebildete Menschen, die in der tragischen Wahnvorstellung lebten, daß alles, was Genuß und Freude bedeutete, Geld kostete und deshalb für sie nicht in Frage kam.
    Vater war ein dicklicher blasser Junge, immer einen Kopf kleiner als seine Klassenkameraden. Er gehörte nicht zu den beliebten Kindern der Schule. Wenn die anderen auf dem Schulhof zusammenstanden und über Filmstars und Popkünstler redeten, war er ausgeschlossen, weil er nie Geld für Kino oder Schallplatten hatte. Er hatte kein Ballgefühl, und Sport interessierte ihn nicht. Aus seinen Kleidern war er heraus- oder noch nicht hineingewachsen. Er war unsicher, mürrisch, in sich gekehrt.
    Die Eltern seiner Klassenkameraden hatten Sommerhäuser in den Schären. In den Ferien fuhren sie ans Meer und badeten und segelten, während er allein auf dem Hinterhof blieb.
    Vater erzählte, daß er einmal von der Familie eines Klassenkameraden mitgenommen wurde. Sie besaßen ein Sommerhaus auf einer Insel. Der Lehrer hatte in Gegenwart der Eltern des Schulkameraden über Vaters bemitleidenswerte Situation gesprochen, sie nahmen sich gnädig des kleinen Gossenkindes an, und er durfte mit ihnen ins Sommerparadies kommen, wo er in einer muffigen Kammer ohne Fenster schlafen und die Tage am Strand zubringen mußte und gezwungen wurde, Badehosen zu tragen und seinen bleichen dicken Bauch im Sonnenlicht zu präsentieren. Wenn die Familie etwas feierte, mußte er mit dem Dienstmädchen in der Küche essen.
    Schließlich sollte er Segeln lernen. Seine erste und letzte Segeltour sollte zu einer der größten Erniedrigungen in seinem Leben werden. Allein in der kleinen Jolle, unter den Blicken der Sommergäste, kämpfte Vater vergeblich mit verknoteten Schoten und einem schlagenden Baum. Als er anlegen sollte, verpaßte er die Boje und fuhr direkt in den Steg und zerstörte das Boot.
    Verständlich, daß mein Vater das Meer haßte.
    Im nächsten Sommer wurde er zu einem Bauern in Dalsland geschickt. Der Bauer betrachtete ihn als kostenlose Arbeitskraft, und Vater, der solche Arbeiten nicht kannte, wurde mit Schlägen bestraft, wenn der Bauer meinte, der Bengel aus der Stadt habe seine Aufgaben nicht richtig erledigt. Eines Abends floh er vor der Bestrafung. Er rannte dem Bauern davon, über den Hof, lief geduckt durch den Getreideacker aufs offene Feld und in den Wald hinein.
    Und hier geschah es. Der Wald nahm ihn auf, wie er noch nie von jemandem aufgenommen worden war. Selbstverständlich, bedingungslos. Versteckte ihn unter Nadeln und Blättern, tröstete ihn mit seinem Rauschen.
    Als er unter eine Tanne kroch, stellte er fest, daß er nicht allein war. Direkt neben ihm stand eine kleine Kolonie Pilze mit runden Hüten. Wie kleine Soldaten mit Helmen gruppierten sie sich um ihn, bereit, das Versteck mit ihm zu teilen. Vielleicht waren es junge Täublinge, Vater wußte damals noch nichts über Pilze. Für ihn waren es schweigsame, kleine Wesen, die ihn mit ihrer aufrechten Haltung, ihren blank geputzten Helmen und ihrem rührenden Zusammenstehen aufmunterten.
    Von diesem Moment an wußte er, daß er ein Sohn des Waldes und der König der Pilze war.
    Am nächsten Tag wurde er gefunden, schlafend unter einer Tanne, unterkühlt. Er wurde krank, man schickte ihn nach

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