Piss off! Ein Engel zum Fürchten (German Edition)
Seminaren unerträglich machte, dieser blinde Opportunismus. Natürlich gab es dort auch männliche Idioten, grenzdebile Vollzeittrottel, die in Heerscharen die Seminare verstopften und kuhäugig mitschrieben, was immer dem Dozenten an der Tafel von den Lippen kam. Schlimmer aber waren diese adretten, wohlbehüteten Mädchen mit dem IQ eines Koma-Patienten – Wesen wie leerstehende Zimmer, in denen noch nie gelacht worden ist, geschweige denn Feste gefeiert. Ihre winzigen Persönlichkeiten schienen mir von einem ewigen Dämmer überschattet. Instinktiv liefen sie auf ausgetretenen Pfaden dahin und träumten von einem Dasein, über das ein gelangweiltes Schicksal den Schonbezug wirft. All das nährte meinen Hass gegen sie, die weiter nichts Böses taten, als mir unausgesetzt auf die Nerven zu gehen. Und ich wünschte ihnen, dass sie eines Tages aufwachen würden, Tränen in den Augen, weil sie plötzlich erahnten und spürten, dass es noch mehr geben musste als nur den geraden, ihnen vorgezeichneten Weg. Dass es immer noch aufregender ist, beim Versuch, über Wasser zu laufen, unterzugehen, als am Ufer stehenzubleiben und apathisch auf den Fährmann zu warten, den es nicht gibt. Aber am meisten verachtete ich sie dafür, dass es sie in solchen Massen gab und unter sich alles erstickten, was aufregend, spektakulär und einmalig war. Sie waren der zähe Brei, in dem alles Schöne versank. Und als wäre das nicht genug, hatte sie die Natur mit Engelsgesichtern versehen, Hunderten von ihnen das Aussehen von Filmstars verliehen und mit Brüsten ausgestattet, die mich schielen und verzweifeln ließen, weil es so sicher wie das Amen in der Kirche war, dass ich sie nie zu fassen kriegen würde. Das war anderen vorbehalten, Typen, die mit den Autos ihrer Mütter an die Uni fuhren und über Bausparverträge, Aktienfonds und die neue Mercedes-C-Klasse quatschten.
Genau in diesem Augenblick fiel mein Blick erneut auf Gaby. Unzüchtige Phantasien nahmen Gestalt in mir an, und eine böse Stimme setzte mir zu, diese Chance zu nutzen. Für den Bruchteil einer Sekunde erschien Gaby von makelloser Reinheit umflort, rein wie ein Sonnenstrahl, der an einem kalten Tag zum Fenster hereinspringt, um wie ein Kätzchen in den Ecken zu schnurren. Rein und gottverdammt sexy in ihrem tiefausgeschnittenen Pullover und dem roten Karo-Rock, der schmeichelnd ihre Hüften betonte. Und ich merkte auf wie ein schnüffelnder Hund, der mitkriegt, dass Herrchen den Napf wieder füllt.
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Es ist möglich, das Leben als eine lange, vielleicht sogar fruchtbare Kette von Unwahrscheinlichkeiten zu sehen, die ihm – vorausgesetzt, sie geschehen zum richtigen Zeitpunkt – charmante Züge verleihen. Aber die bloße Tatsache, dass wir den Bus verpasst haben, weil wir spät dran sind, denn der Wecker hat an diesem Morgen aus irgendeinem dummen Grund nicht geschellt, führt nicht automatisch dazu, dass wir an der Bushaltestelle, an der wir nun warten, unserer Traumfrau begegnen, die wir bislang nur deshalb noch nicht trafen, weil wir den Bus immer pünktlich erreichten. Aber die Vorstellung, dass es geschehen kann, stimmt uns ein wenig versöhnlich. Es drängt unsere Ängste in tiefste Tiefen zurück. Der Tag wird ein Kerl, mit dem man gern einen draufmachen möchte.
Viel häufiger aber ist das Leben nichts anderes als eine Kette stupider Wiederholungen, und es ist nicht einfach, an seinen verborgenen Zauber zu glauben – vor allem, wenn man nicht Clint Eastwood ist und Rechnungen bezahlt werden müssen.
Als ich erwachte, sagte mir mein Gefühl, ich hatte Scheiße gebaut. Mein Blick fiel auf gehäkelte Scheibengardinen. Als zweites fiel mir ein Teddy-Bär auf. Er war himmelblau und saß auf dem Sofa, dem Bett gegenüber, und nur allmählich kam ich dahinter, dass ich mich in einer fremden Wohnung befand. Die CD-Sammlung sagte eindeutig Mädchen. Wer sonst hätte Sachen von Phil Collins gehört?
Ich schloss die Augen und versuchte weiterzuschlafen. Aber mein Gehirn hatte beschlossen, den vergangenen Abend zu rekonstruieren, und tanzte ungelenk und polternd in meinem Schädel herum. Das erste, woran ich mich erinnerte, war, dass Mimi, der DJ im Spirit , eine Scheibe aufgelegt hatte, die ich nicht kannte und die mich hatte aufhorchen lassen. Moment, was hatte Mimi gesagt? Wie hieß die Band? Richtig, LARGE PENIS. Und der Song war in etwa so lieblich wie ein LKW, der mit 140 Sachen donnernd in eine Gruppe spielender Kleinkinder rast. Es war laut
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