Tiffany Duo 134
1. KAPITEL
Beim Blick in Nora Lowes überraschtes Gesicht herrschte in Alex’ Kopf bis auf einige flüchtige Eindrücke plötzlich völlige Leere. Glatte Haut, honigfarben gebräunt. Ungeschminkte Lippen. Augen von der Farbe des Morgenhimmels über ihnen, überraschend hell in diesem sonnengebräunten Gesicht ... sanfte blaue Augen, die genauso verwirrt dreinschauten wie er sich gerade fühlte.
Doch er bekam sich schnell wieder im den Griff und setzte ein routiniertes Grinsen auf. „Ich habe mich bei unserer letzten Begegnung nicht richtig vorgestellt, nicht wahr? Ich bin Alex Bok.“
Sie wirkte immer noch durcheinander. „Alex.“ Sie nahm seine ausgestreckte Hand. „Alex Bok?“ Ihr Blick wurde schärfer.
„Gibt es da irgendeine Verbindung zu Franklin und Elizabeth Bok?“
Er grinste schief. „Sozusagen. Sie sind meine Eltern.“
„Du lieber Himmel, dann sind Sie also Archäologe!“ sagte Nora Lowe lachend. „Wenn Sie wüssten, was ich mir alles ausgemalt habe ...“
Ihre Hand war schmal, unberingt und kräftig. „Was haben Sie denn geglaubt, was ich bin?“
„Oh, alles Mögliche - ein Schmuggler, ein Reporter, ein Pilger. Dass Sie ein Archäologe sein könnten, ist mir, nie in den Sinn gekommen.“ Sie neigte den Kopf zur Seite. „Dann haben wir ja vielleicht sogar eine gemeinsame Bekannte. Myrna Lancaster.“
Er konnte den Namen nicht gleich einordnen, aber dann fiel es ihm wieder ein. „Ach ja, Myrna. Natürlich. Wir haben uns vor zwei Jahren bei Ausgrabungsarbeiten kennen gelernt.“ Er war einigen besonders gefährlichen Burschen auf der Spur gewesen, und Myrna hatte ihm eine willkommene Abwechslung geboten. Eine vor Energie sprühende junge Frau, wie er sich jetzt erinnerte, und genauso wenig an einer dauerhaften Beziehung interessiert wie er.
Eine kleine junge Frau mit einer Brille, die ihr ständig von der Nase rutschte, kam heran und zupfte Nora diskret am Ärmel.
„Wer ist das denn?“
„Der Sohn von Franklin und Elizabeth Bok. Sie sind dir ja sicher ein Begriff“, antwortete Nora. „Er ist der Mann, den ich im Negev gefunden habe.“ Dann bemerkte sie, dass Alex immer noch ihre Hand hielt. Sie errötete und zog sie zurück.
„Der niedergestochen wurde?“ Die Augen der jungen Frau weiteten sich.
Nora schaute Alex entschuldigend an. „Manche Dinge sprechen sich eben herum.“
Damit hatte er gerechnet. „Das war vermutlich unvermeidlich.“ Er beugte sich ins Innere des Kleinlasters, der ihn hergebracht hatte, und zog einen olivfarbenen Rucksack heraus, aus dessen Seitentasche er einen Umschlag nahm. „Das ist von Dr. Ibrahim. Ich hoffe, es reicht Ihnen als Empfehlungsschreiben.“
Sie nahm den Brief entgegen, öffnete ihn jedoch nicht. „Ich möchte Sie nur rasch mit den anderen hier bekannt machen ... jetzt, nachdem ich Ihren Namen weiß.“ Ein schnell aufblitzendes zurückhaltendes Lächeln ließ ihr Gesicht aufleuchten; „Das ist DeLaney Brown, sie sorgt für gute Laune hier.“
Die junge Frau mit der rutschenden Brille schnitt eine Grimasse. „Betrachten Sie mich einfach als Teil der Laborausstattung.“
„Freut mich, Sie kennen zu lernen, DeLaney.“ Natürlich wusste er bereits, wer sie war. Jonah hatte ihn mit Hintergrundberichten über die Expeditionsteilnehmer versorgt. DeLaney Brown war dreiundzwanzig Jahre alt und hatte eben an der Universität, an der Nora Lowe unterrichtete, ihren Abschluss gemacht. Ihr Vater war ein bekannter Chirurg, während ihre Mutter ihre Zeit mit Wohltätigkeitsarbeit verbrachte. Keine Geschwister. Sie war intelligent, spontan und anfällig für politische Dummheiten, obwohl man bei ihr keine Verbindungen zu irgendwelchen arabischen Terroristengruppen hatte feststellen können.
DeLaneys Handfläche war feucht. Nachdem sie kurz seine Hand gedrückt hatte, schob sie ihre Brille wieder hoch. „Warum um alles in der Welt haben Sie sich denn niederstechen lassen?“
„Meine Güte, DeLaney, du stellst vielleicht manchmal Fragen. Hallo, ich bin Lisa.“ Die dritte Frau reichte ihm eine breite Hand mit zweckmäßig kurz geschnittenen Fingernägeln. „Auch Laborausstattung.“
Lisa hatte ebenfalls ihr Examen gerade hinter sich. Alex wusste, dass sie mehr als zwanzig Jahre älter war als DeLaney; sie hatte nach einer gescheiterten Ehe ihr Diplom nachgemacht. Sie war dunkelhäutig, hatte schwarzes, sehr kurz geschnittenes Haar, drei Ringe in jedem Ohr und einen Exmann mit Spielschulden. Ihr Händedruck war fest.
„Herzlich
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