Polt - die Klassiker in einem Band
nicht nur. Was sagt der Mank?“
„Alles in Ordnung soweit.“
„Danke, noch einmal! Und was den Martin angeht, steh ich für die Schulden gerade. Das wird er mir wohl noch wert sein. Und seine Abhängigkeit von diesen Geldspielautomaten will er aus eigener Kraft loswerden. Find ich auch gut so.“
„Ja, geht in Ordnung.“
„Viel reden Sie aber nicht heute?“
„Ich denk nach.“
„Darf ich wissen, worüber?“
„Darüber, wer in Ihrem Weinkeller Euro-Scheine verbrannt haben könnte.“
„Was?“ Fürnkranz, der gerade in die Kellergasse einbiegen wollte, nahm die Kurve zu heftig. Der Golf kam ins Rutschen, wurde aber von dem Weinbauern geschickt abgefangen. „Also ich tu so was extrem selten.“
„Glaub ich aufs Wort.“
Im Preßhaus angelangt, sah Polt den von Kratkys Leuten beschädigten Preßkorb, gefrorene Maische bedeckte Bretter und Balken. Seit seinem letzten Besuch hier hatte sich nichts verändert. Fürnkranz blieb breitbeinig und mit erhobenem Kopf davor stehen. „Die Trauben hab ich in den Weingarten geschüttet und die Presse hab ich noch nicht angerührt. Erstaunlich, wie schnell aus einer Gottesgabe Dreck wird.“
„Ich würde sagen: erschreckend.“
„Formulierungssache. Aber kommen Sie einmal hierher, Herr Polt.“ Fürnkranz ging zur Stirnseite der Weinpresse. Dort war eine kleine Holzklappe zu sehen, die zum „Quargelkastl“ gehörte, einem Hohlraum zur Aufbewahrung der Kellerjause. Daneben war ein auf der Spitze stehender Rhombus mit einem senkrechten Strich in der Mitte eingeritzt. „Kennen Sie das, Inspektor?“
„Nein.“
„In Tschechien drüben ist das ein ordinäres Symbol für das weibliche Geschlechtsorgan. Sie können es auf jedem Männerklo finden.“
„Und das hier ist neu?“
„Ja, mein Wort drauf. Ich kenne meine Weinpresse.“
Polt dachte an Bartls Zeichnung. „Was haben Tschechen mit Ihrem Preßhaus zu tun?“
„Nichts.“
„Und Sie, Herr Fürnkranz? Bekannte, ich meine: außer diesen Mädchen drüben?“
„Nein. Aber der Lutzer hat Kontakte gehabt, und nicht ganz astreine, wie man so hört.“
„Wissen Sie Genaueres?“
„Nein. Was dieser Mensch so treibt, hat mich nie besonders interessiert.“
„Trotzdem waren Tschechen im Spiel hier, oder jemand will sie ins Spiel bringen.“
„So muß man das wohl sehen, ja.“
„Wir werden’s wissen, irgendwann. Aber davon einmal ganz abgesehen. Heut abend ist ja das traditionelle Sauschädelessen im Höllenbauer-Keller. Sehen wir uns da?“
„Nein. Mir ist nicht nach Gesellschaft.“
„Kann ich verstehen. Bringen Sie mich zurück?“
„Selbstverständlich.“
Als Polt am Abend beim Preßhaus seines Freundes eintraf, hörte er schon Stimmengewirr aus dem Keller. Mit jeder Stufe, die ihn nach unten trug, umfing ihn die vertraute Atmosphäre dichter. Doch diesmal mischte sich auch der Geruch von fettem, in Wurzelsud gesottenem Fleisch hinein, von Gewürzen, Kräutern und Zwiebel. Polt ging an den mächtigen Fässern vorbei und kam zu einer langgestreckten Tafel, an der wenigstens ein Dutzend Männer saßen. Auf Holzbrettern türmte sich das in Streifen geschnittene helle Fleisch von Schweinsköpfen, daneben standen Körbe mit Brot und Teller mit Kren. Jeder der Männer hatte ein Schneidbrett vor sich, und einige von ihnen zückten schon ihre derben Taschenfeitel.
Jetzt erblickte Ernst Höllenbauer den Ankömmling. „Simon, alter Halunke. Wo willst denn sitzen? Vielleicht neben dem Kurzbacher?“
„Wenn’s ihm recht ist.“ Polt wartete die Antwort nicht ab und nahm Platz. Kurzbacher rückte ein Stück zur Seite. „Hast das Messer mit, Simon?“
„Klar. Gehört zur Grundausstattung eines wehrhaften Zivilisten. Ah, der Sepp Räuschl ist auch in der Runde!“
„Der? Wenn’s was zu essen gibt, immer. Übrigens, Simon, Geheimtip: In dem großen, blauen Geschirr da ist eine Haussulz. Spezialität vom Herrn Sedlacek.“
„Sedlacek …, der ehemalige Postenkommandant?“
„Jawohl.“
„Wo sitzt er denn?“
„Ganz am anderen Ende, zur Kellerstiege hin. Der mit den vielen Falten im Gesicht.“
„Ah, ja …“ Polt verstummte, weil sich der Höllenbauer erhoben hatte. Er räusperte sich. „Also, viel sag ich nicht. Willkommen hier unten, alle miteinander, besonders Sie, Herr Pfarrer. Freut mich immer, wenn Sie einmal Zeit haben für uns und für die Unterwelt. Jedenfalls machen wir heute Schluß mit dem alten Jahr, auch wenn noch nicht ganz Silvester ist. Auf die Art
Weitere Kostenlose Bücher