Polt muss weinen
Anerkennung mit.
»Fragen Sie mich was Leichteres. Ich glaube, ich habe einfach Glück gehabt und ihn im idealen Augenblick an der richtigen Stelle erwischt.«
»Und wie will er das mit dem Albert Hahn gemacht haben?« wollte Kurzbacher wissen.
Polt erzählte von den losen Ziegeln in der Trennwand und den Hinweisen, die er von Frau Hahn bekommen hatte.
Kurzbacher schüttelte empört den Kopf. »Alles Angeberei, sag ich dir, Simon.«
»Und wie kommst du darauf, Friedrich?«
»Weil ich weiß, daß er es nicht war.«
»Und wer war es dann?«
Für Sekunden blitzten die Augen Kurzbachers entschlossen auf, doch dann warf er nur einen Blick auf die anderen Weinbauern und sagte ruhig: »Wir reden schon noch darüber.« Ohne zu fragen, holte er eine Flasche Riesling aus einem dunklen Seitengang, entkorkte sie vorsichtig und schüttete mit einer schwungvollen Handbewegung ein wenig Wein auf den sandigen Kellerboden. Dann goß er die Gläser voll. »Mein Roter ist nicht so besonders«, wandte er sich Josef Schachinger zu, »aber mit dem da habe ich eine bessere Hand, glaube ich wenigstens.«
Die Runde kostete, und Schachinger machte ein anerkennendes Gesicht. »Sehr anständig. Bringt der alte Kurzbacher doch noch was zuwege.«
Simon Polt war unruhig, Angst hatte er auch, aber er wagte es nicht, neugierig zu sein oder zu drängen. Er ertappte sich dabei, diese verschworene Männerwelt in den Kellern zum Teufel zu wünschen.
Karl Brunner, der den ganzen Abend kaum etwas geredet hatte, brach endlich das Schweigen. »Haben Sie den Albert Hahn eigentlich persönlich gekannt, Herr Inspektor?«
»Natürlich. Die ersten ernsthaften Auseinandersetzungen hat es gegeben, als die Sache mit dem kleinen Schachinger passiert ist. Albert Hahn hat behauptet, den Buben für eine Unterredung in den Keller geholt zu haben, mit Nachdruck, aber ohne Gewalt. Ich weiß nicht, was Sie von mir wollen, hat er damals breit grinsend gesagt, wichtige Angelegenheiten beredet man doch im Keller, nicht wahr?«
Karl Brunner trank sein kleines Kostglas mit einem Schluck leer. »Gut zehn Jahre ist es her, daß der Hahn zu uns ins Dorf gekommen, oder besser gesagt: zurückgekehrt ist, er stammt ja von hier. Aber sein Vater hat nur Kummer mit ihm gehabt und war ganz froh, als der Bub nach Wien wollte. Dort ist er nach und nach zu Geld gekommen, fragt mich nicht wie. Er hat dann in Brunndorf das alte Haus hergerichtet, und es hat ganz danach ausgeschaut, als ob man mit ihm leben könnte. Ich kann das nicht so gut erklären. Da gibt es ein Rattengift, das die Tiere erst ein paar Tage später umbringt, nachdem sie es gefressen haben. Sogar die schlauen Ratten erkennen nicht, daß das Gift und der Tod etwas miteinander zu tun haben. So ein Gift war der Albert Hahn. Wenn das Unheil erst einmal da war, hat kaum noch jemand gewußt, wie es wirklich dazu gekommen ist.«
»Weißt du, Simon«, sagte jetzt der Kurzbacher, »es waren ja nicht nur Sachen, von denen viel geredet wurde, weil sich einer den Strick gegeben hat oder ein Kind dran glauben mußte. Dem hat es ja auch schon genügt, wenn er Streit zwischen Nachbarn stiften konnte, die seit eh und je gut miteinander waren. Er hat nach und nach das Dorf ruiniert.«
Simon Polt seufzte ungeduldig. »So ungefähr habe ich mir das auch vorgestellt. Und weiter?«
Christian Wolfinger strich sich energisch über den kleinen Oberlippenbart. »Weiter? Ganz einfach. Vor einem Jahr ungefähr sind wir im Keller beieinandergestanden, so wie heute. Kurz davor war die Sache mit dem Buben. Sein Vater, der Schachinger, hat sich damals kaum gekannt vor Kummer und Wut, und an diesem Abend hat er geschrien, daß er dem Hahn einen Hammer ins Hirn hauen wird. Du hast schon recht, habe ich damals gesagt, der Hahn muß weg. Aber das geht uns alle was an. Dann haben wir eben lange geredet, was zu tun wäre. So sind wir auf das Gärgas gekommen: Keiner braucht sich die Finger dreckig zu machen, und jeder wird es für einen Unfall halten.«
»Paßt das zu einem Weinbauern?« fragte Polt mechanisch.
»Nein. Aber zu Albert Hahn hat es gepaßt.«
Simon Polt weigerte sich zu denken. Er fragte einfach weiter: »Und das bedeutet?«
Friedrich Kurzbacher schaute ihm ins Gesicht. Jetzt funkelten die Augen hinter den Brillengläsern wieder. »Das heißt: Wir haben ihn umgebracht, wir vier, alle miteinander.«
Inspektor Polt muß weinen
Simon Polt kannte an sich eine sonderbare Eigenschaft, die ihn auch in Situationen
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