Pompeji
schreiben. Er lag auf dem Nachttisch neben dem harten Holzbett. Attilius war kein großer Briefschreiber. Ein paar allgemeine Sätze – Ich bin angekommen, die Reise war gut, das Wetter ist heiß –, geschrieben in seiner Schuljungenschrift, mehr hatte er nicht zustande gebracht. Was er nicht erwähnte, war die Unruhe, die ihn plagte: das bedrückende Verantwortungsgefühl, seine Befürchtungen wegen der Wasserknappheit, die Einsamkeit seiner Stellung. Aber sie waren Frauen – was wussten sie schon davon? –, und außerdem hatte man ihm beigebracht, nach den Grundsätzen der stoischen Philosophie zu leben: keine Zeit mit Unsinn zu vergeuden, seine Arbeit ohne Murren zu verrichten, sich selbst treu zu bleiben, unter allen Umständen, selbst bei starken Schmerzen, beim Tod eines Angehörigen, bei Krankheit, und ein einfaches Leben zu führen: Ein Feldbett und ein Umhang zum Zudecken müssten genügen.
Er setzte sich auf die Bettkante. Philo, sein Haussklave, hatte ihm einen Krug Wasser und eine Schüssel hingestellt, etwas Obst, einen Laib Brot, eine Karaffe Wein und eine Scheibe harten Weißkäse. Attilius wusch sich sorgfältig, verzehrte das Essen, mischte etwas Wein mit dem Wasser und trank. Dann streckte er sich auf dem Bett aus, zu erschöpft, um auch nur die Schuhe und seine Tunika auszuziehen, schloss die Augen und glitt schon im selben Augenblick in jenen Bereich zwischen Schlafen und Wachsein, in dem seine tote Frau immer gegenwärtig war und ihre Stimme ihn anrief – flehend, eindringlich: »Aquarius! Aquarius!«
Seine Frau war erst zweiundzwanzig Jahre alt gewesen, als er zugeschaut hatte, wie ihr Körper den Flammen des Scheiterhaufens übergeben wurde. Diese Frau war jünger – vielleicht achtzehn. Trotzdem steckte noch genug von dem Traum in seinem Bewusstsein, und die junge Frau im Hof sah Sabina so ähnlich, dass sein Herz einen Sprung tat. Dasselbe dunkle Haar. Dieselbe weiße Haut. Dieselbe Üppigkeit der Figur. Sie stand unter dem Fenster.
»Aquarius!«
Ihr lautes Rufen hatte einige der Männer aus dem Schatten gelockt, und als Attilius am unteren Ende der Treppe angekommen war, hatte sich ein Halbkreis aus glotzenden Schaulustigen um die junge Frau gebildet. Sie trug eine lose weiße Tunika, am Hals und an den Ärmeln weit offen – ein Gewand, das man normalerweise nur in privaten Räumen trug und das etwas mehr von der milchweißen Rundlichkeit ihrer Arme und Brüste zeigte, als eine respektable Dame in der Öffentlichkeit zu zeigen gewagt hätte. Jetzt sah er, dass sie nicht allein war. Eine Sklavin begleitete sie – eine magere, zitternde ältere Frau, deren schütteres graues Haar zur Hälfte hochgesteckt war und ihr zur anderen über den Rücken fiel.
Die Jüngere war atemlos und plapperte etwas von einem Becken mit Meerbarben, die an diesem Nachmittag im Fischbecken ihres Vaters gestorben waren, und Gift im Wasser und einem Mann, der gerade den Muränen vorgeworfen wurde, und dass er sofort mitkommen müsse. Es war fast unmöglich, all ihre Worte zu verstehen.
Er hob die Hand, um sie zu unterbrechen, und fragte sie nach ihrem Namen.
»Ich bin Corelia Ampliata, die Tochter von Numerius Popidius Ampliatus, aus der Villa Hortensia.« Ihre Worte klangen ungeduldig, und bei der Erwähnung ihres Vaters bemerkte Attilius, wie Corax und einige der Männer Blicke tauschten. »Bist du der Aquarius?«
Corax sagte: »Der Aquarius ist nicht hier.«
Der Wasserbaumeister ignorierte ihn. »Ja, ich bin für den Aquädukt verantwortlich.«
»Dann komm mit mir.«
Sie begann, auf das Tor zuzugehen, und schien überrascht, als der Aquarius ihr nicht sofort folgte. Jetzt begannen die Männer, über sie zu lachen. Musa äffte das Schwingen ihrer Hüften nach und warf geziert den Kopf zurück: »Oh, Aquarius, komm mit mir …!«
Sie drehte sich um, mit Tränen ohnmächtigen Zorns in den Augen.
»Corelia Ampliata«, sagte Attilius geduldig und nicht unfreundlich, »ich kann es mir vermutlich nicht leisten, Meerbarben zu essen, aber soweit ich weiß, sind es Meerestiere. Und für das Meer bin ich nicht zuständig.«
Corax grinste. »Hast du das gehört? Sie hält dich für Neptun!«
Es gab noch mehr Gelächter. Attilius befahl ihnen mit scharfer Stimme, still zu sein.
»Mein Vater lässt einen Sklaven töten. Der Sklave hat nach dem Aquarius geschrien. Mehr weiß ich nicht. Du bist seine einzige Hoffnung. Kommst du nun mit oder nicht?«
»Warte«, sagte Attilius. Er deutete mit einem
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