Porterville - Mystery-Serie: Edition I (Folgen 1-6)
sehen, so ganz anders als in den letzten Tagen. Ich hatte schon befürchtet, Rhonda hätte eine postnatale Depression.
Dabei ist es viel einfacher.
Sie hungert nach Status. Sie hungert nach Entschädigung für Monate und Jahre der Entbehrung und erbrachten Opfer. Wahrscheinlich ist sie es, die richtig liegt und ich liege völlig daneben. Oder haben sich die Satos, Kellogg, Heather und Rhonda einfach verbündet, um mich umzustimmen? Weil ich der einzig verbliebene Bedenkenträger in der Führungsriege bin? Der ewige Bremser? Was würden Floyd und Walt und Carl und Sophie wohl dazu sagen? Und was Chad Waters in seinem Duschraum?
Ich versuche, meine trüben Gedanken zu verscheuchen und mich auf das Gespräch mit Sato zu konzentrieren. Aber es gelingt mir nicht. Ich muss an Martin, meinen Vater, denken. Er passt auf Emily auf. Es ist das erste Mal seit Emilys Geburt, dass Rhonda und ich sie alleine lassen. Ich habe noch immer Zweifel, ob mein Vater die beste Wahl als Babysitter war. Er hat sich bereitwillig angeboten, aber als er vorher zu uns in die Wohnung kam, wirkte er angespannt und hat ständig in sein fleckiges Taschentuch gehustet.
Wollen wir hoffen, dass alles gut geht.
Der Wagen, den Sato geschickt hat, hält vor dem höchsten Gebäude der Stadt. „Unser neues Zuhause“, wie Eleanor Dare-Sato es genannt hat. Es ist der Hudson Tower, einst ein Bürokomplex, der nach Satos unseligem Vorgänger im Amt des Bürgermeisters benannt war. An der Außenwand kann man noch Einschusslöcher erkennen. Die Büroräume sind verwaist, nur im Foyer und ganz oben im Penthouse brennen Lichter. Im Foyer stehen Baumaschinen und Werkzeuge herum, Gipskartonplatten bedecken die Wände und an einer Ecke sind bereits weiße, schimmernde Plexiglasplatten darauf angebracht.
Ich bin überrascht, als uns der Maître de Cuisine aus dem Restaurant des Olympic Regent im Foyer begrüßt. Er hat auf uns gewartet. Wie es aussieht, hat Sato ihn und seine Truppe für den Abend verpflichtet. Der schweigsame, hagere Mann in den späten Fünfzigern begleitet uns zu den Aufzügen und wir fahren mit ihm in die 55. Etage. Als sich die Aufzugtüren öffnen, entfaltet sich eine prachtvolle Zimmerflucht vor uns. Vereinzelt stehen noch ungeöffnete Kartons herum, doch ansonsten ist hier bereits alles am Platz und eingereichtet. Der Maître nimmt unsere Mäntel engegen und verstaut sie in einem beeindruckenden Wandschrank.
Die ganze Einrichtung des Penthouse ist überwältigend. Mit Schnitzereien verzierte Möbel aus dunklem Holz stehen auf grauem, polierten Granitboden. Vasen und Skulpturen, die zumeist Jagdszenen nachstellen. Auf Sideborads in schwarzem Lack stehen zahlreiche Schalen mit Bonsai-Bäumen, regelrechte Miniaturlandschaften. Sehr geschmackvoll und sehr teuer.
Wir werden in den üppigen Salon geführt. Ein weiterer Kellner erwartet uns. Eine hübsche kleine Melodie perlt durch den Raum und ich entdecke einen Pianisten, der an einem Flügel im Nebenzimmer sitzt. Die Räume werden von zahlreichen Kerzen in silbernen Leuchtern illuminiert. Auch hier herrscht Strommangel, aber Sato hat es geschafft, selbst diesen Makel effektvoll in Szene zu setzen.
Die Satos kommen auf uns zu, als wir den Salon betreten. Eleanor trägt ein weißes, knielanges Kleid und eine Perlenkette, Sato einen Smoking. Nur ich wirke mit meinem braunen Sakko zu Jeans seltsam fehl am Platz. Eleanor und Rhonda begrüßen sich mit Küsschen, verfallen augenblicklich in eine angeregte Plauderei über die neue Wohnung. Sato lächelt und streckt mir seine Hand entgegen.
„Jefferson. Schön, dich zu sehen.“
„Die Freude ist ganz auf meiner Seite, Takumi. Ich hätte dich gerne schon früher gesehen. Ich habe den ganzen Tag versucht, dich zu erreichen.“
Sato geht gar nicht darauf ein. Er lächelt, begrüßt Rhonda und wir setzen uns. Der Kellner füllt unsere Gläser mit einem Château Pétrus, der vermutlich so viel kostet, wie der Kellner im Monat verdient. Der Wein ist großartig, trotz des bitteren Beigeschmacks der Vorteilsnahme. Ich ärgere mich über mich selbst, dass ich ihn nicht genießen kann. Aus einer Tür, hinter der ich die Küche vermute, tritt der Maître mit Tellern in der Hand und auf dem Unterarm. Die Amuse-bouche werden serviert und wir plaudern über Belanglosigkeiten. Das heißt, die anderen plaudern und ich versuche, den richtigen Moment abzupassen, um Sato zur Rede zu stellen.
Doch der Moment kommt einfach nicht. Nach Thunfischcarpaccio mit
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