Poseidons Gold
hinunter. Wenigstens hatte die fürchterliche Nacht dafür gesorgt, daß die üblichen Diebe ihre Chance verpaßten: Pferd und Wagen standen immer noch einsam und verlassen an der Brunnenpromenade.
Wir passierten den Schatten des Emporiums, das verrammelt und verriegelt war, aber selbst eine so ungemütliche Nacht noch mit exotischen Düften von importierten Hölzern, Fellen, Dörrfleisch und Gewürzen veredelte. Nach einer Weile hielten wir vor einem anderen Wohnblock, einem mit weniger Treppen und nicht ganz so trostloser Fassade, der aber trotzdem so etwas wie mein Zuhause war. Schon gestärkt von der Hoffnung auf eine warme Mahlzeit und ein trockenes Bett, stolperten wir hinauf bis zu der vertrauten ziegelroten Tür. Sie war nie abgeschlossen; auf dem ganzen Aventin gab es keinen Einbrecher, der mutig genug gewesen wäre, sich in diese Wohnung zu wagen.
Die anderen wollten schnell hinein, aber ich drängte mich vor. Schließlich hatte ich hier Hoheitsrecht. Ich war ein Sohn, der heimkehrt an den Ort seiner Kindheit. Ja, ich kam – mit dem unvermeidlichen schlechten Gewissen – nach Hause zu meinem alten Mütterlein.
Die Wohnungstür führte geradewegs in die Küche. Zu meinem Erstaunen brannte eine Öllampe; normalerweise begnügte Mama sich mit Einfacherem. Aber vielleicht hatte sie ja geahnt, daß wir kommen würden. Bestimmt sogar. Ich wappnete mich für ihre Begrüßung, aber sie war nicht da.
Ich trat ins Zimmer und blieb vor Überraschung wie angewurzelt stehen.
Ein wildfremder Mensch hatte es sich in der Küche bequem gemacht und die Beine mitsamt den Stiefeln auf den Tisch gelegt. Niemand durfte sich einen solchen Luxus erlauben, wenn meine Mutter in der Nähe war. Einen Moment lang glotzte er mich aus trüben Augen an, dann ließ er einen lautstarken Rülpser los, der mich offensichtlich beleidigen sollte.
II
Wie jede Mutter, die auf sich hält, hatte auch die meine ihre Küche zum Kommandostand erkoren, von dem aus sie das Leben ihrer Kinder zu dirigieren versuchte. Wir hatten natürlich andere Vorstellungen, und dadurch verwandelte sich Mamas Küche oft in eine turbulente Arena, wo Leute sich den Bauch vollschlugen, bis ihnen schlecht wurde, und sich gleichzeitig – in der irrigen Hoffnung, Mama abzulenken – lauthals übereinander beschwerten.
Manches war ziemlich normal hier. Da war die steinerne Kochstelle, die man ein Stück weit in die Außenmauer eingelassen hatte, um das Gewicht zu verteilen; trotzdem senkte sich vor ihr der Boden bedrohlich. Mama wohnte im dritten Stock, und zu ihrer Wohnung gehörte ein Dachboden. Dort hatten früher, als sie noch Kinder waren, meine Schwestern geschlafen, und darum wurde traditionell der Herdrauch von jedem, der gerade zu Hause rumhing, unten aus dem Fenster gefächelt; der Fächer hing am Fensterriegel.
Über dem Herd blitzten eine Reihe Kupfertöpfe, Schalen und Bratpfannen, manche davon gebraucht gekauft und mit den Beulen von Generationen verziert. Auf einem Regal standen Schüsseln, Becher, Krüge, Stößel, und in einer gesprungenen Vase steckte ein Sammelsurium von Löffeln. An Nägeln, die auch einen halben ausgeweideten Ochsen ausgehalten hätten, hingen Schöpfkellen, Reibeisen, Siebe und Fleischklopfer. Eine schiefe Reihe Haken trug eine Garnitur riesengroßer Küchenmesser; sie hatten tückische Klingen aus Eisen, die in gespaltenen Knochenheften steckten, und jedes trug Mamas Initialen: JT für Junilla Tacita.
Auf dem obersten Regalbrett standen vier jener Spezialtöpfe, in denen man Haselmäuse kocht. Damit Sie das nicht mißverstehen: Mama sagt, Haselmäuse sind widerliche Viecher, an denen außerdem kein Fleisch dran ist, also bloß was für Snobs mit schlechtem Geschmack und albernen Angewohnheiten. Aber wenn das Saturnalienfest da ist, man sowieso schon eine halbe Stunde zu spät zum Familienfest kommt und in letzter Minute noch verzweifelt nach einem Geschenk für seine Mutter sucht, das sie über zwölf Monate Vernachlässigung hinwegtrösten soll – also dann scheinen jedesmal diese Haselmaus-Kasserollen genau das Richtige zu sein. Mama bedankte sich jedesmal liebenswürdig bei demjenigen ihrer Kinder, das diesmal auf die Masche eines findigen Verkäufers reingefallen war, und ließ ihre unbenutzte Sammlung vorwurfsvoll wachsen.
Der Duft getrockneter Kräuter erfüllte den Raum. Körbe voller Eier und flache Schalen voller Hülsenfrüchte füllten jedes freie Plätzchen. Ein reicher Vorrat an Reisigbesen und Eimern machte
Weitere Kostenlose Bücher