Post von Madelaine
Tochter - dessen waren sich Sophie und Marc Duprais absolut sicher.
Ein Blick genügte, mehr bedurfte es nur selten zwischen den beiden. Sie sprangen auf, rissen den Artikel aus der Zeitung und warfen die Eingangstür ihres Hauses hinter sich zu. Sie schellten bei den Nachbarn, denn ein eigenes Auto besaßen sie nicht, und erklärten, es würde sich um einen Notfall handeln, ohne weitere Details preiszugeben.
Marc Duprais preschte über die holprige Landstraße. Nach einer Stunde tauchte hinter einer Anhöhe, am Rande des Waldes, das Gutshaus auf.
Der Anblick allein reichte aus, einen eisigen Schauder über seinen Rücken zu jagen, doch er schüttelte das unliebsame Gefühl schnell ab.
Vor vielen Jahren war er als Stalljunge in das Haus der verbittert wirkenden Witwe gekommen, nun kam er als Ehemann ihrer Tochter - ob es ihr nun passte oder nicht.
Wie zur Bestätigung spürte Marc Sophies Hand auf seinem Oberschenkel.
Gemeinsam stürmten sie in das Haus, als das Mädchen öffnete.
»Hast du unsere Tochter weggegeben und behauptet, sie sei tot?«, schrie Sophie, als sie das Esszimmer ihrer Mutter betrat, die mit einigen Freundinnen zusammensaß und Kaffee trank. Wutentbrannt schmiss Sophie den Artikel auf den weißgedeckten Tisch.
Der Schock im Gesicht der älteren Frau war Geständnis genug.
Sophie schäumte über. »Nur, weil du unsere Liebe unterbinden wolltest? Wie konntest du nur, Mutter? Und was hat es dir gebracht?«
Die junge Frau zitterte am ganzen Leib. Marc trat hinter sie und umschloss ihre Taille mit seinen starken Armen. »Wo hast du sie hingebracht?«, fragte er leise über ihre Schulter hinweg, an seine Schwiegermutter gewandt. Die antwortete nicht, regte sich nicht einmal. Lediglich ihr rechtes Augenlid zuckte nervös.
»Wo hast du sie hingebracht?«, wiederholte Marc seine Frage; dieses Mal schrie er.
»In ein Kloster, vor Dijon«, flüsterte die ältere Frau mit erstickter Stimme.
Sophie brach weinend zusammen, doch Marc umfasste ihre Handgelenke, gab ihr den nötigen Halt und sah seiner Frau tief in die Augen.
»Nicht, Sophie! Nicht weinen! Komm, wir müssen zu Madelaine. Sie erwartet uns, du hast es doch gelesen.«
Und so machten sich Sophie und Marc Duprais am 30. September 1954 auf einen neuen Weg. Den einzig wichtigen ihres Lebens - in die Arme ihrer kleinen Tochter.
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Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München
Covermotiv: © FinePic®, München
ISBN13: 978-3-8476-0160-9
Tag der Veröffentlichung: 17.02.2012
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