PR 2627 – Der verzweifelte Widerstand
sein.
Um den abgetrennten Tentakel musste er sich eben später kümmern.
Zurück auf einem der Hauptkorridore der RADONJU, suchte er ein Info-Terminal auf und ließ sich den Weg zur nächsten Hyperfunkstation erklären – der reinste Hohn, denn Tion kannte die Baupläne des Schiffs auswendig. Zweifellos sogar besser als der Badakk, der ihn so herablassend behandelt hatte.
Aber es galt, den Schein zu wahren. Wenn der andere misstrauisch geworden war, beobachtete er ihn vielleicht oder schickte ihm seinen Kampfroboter nach.
In der Hyperfunkstation angekommen, stellte er zufrieden fest, dass sich niemand sonst dort aufhielt. Das erleichterte alles.
Eine Roboterstimme sprach ihn an. »Welche Genehmigung liegt vor?«
Tion kam nicht umhin, ein gewisses Maß an routinemäßiger Langeweile herauszuhören, obwohl das unmöglich war – schließlich hatte er es mit einer Maschine zu tun, die in der Station ihren Dienst versah.
»Tion Yulder«, identifizierte er sich, »Autorisierung für ein Gespräch von Reparat Inbetik persönlich.«
Die Überprüfung nahm keine Sekunde in Anspruch. »Ich schalte dir ein Terminal frei.«
Tion ging zu einer der vier Arbeitsstationen und ignorierte den Sessel davor, der für einen Xylthen gefertigt worden war. Auch die meisten anderen Individuen an Bord hätten eine passende Sitzgelegenheit gefunden.
Doch an die Bedürfnisse eines Dosanthi dachte an einem Ort wie diesem niemand; das war eines von zahllosen Details aus dem Alltagsleben, das Tion Yulder kaum noch wahrnahm. Er baute eine Hyperfunkverbindung zu seiner Heimatwelt Meloudil auf.
Das nahm einige Zeit in Anspruch; Relais für Relais musste sich über 7000 Lichtjahre Entfernung korrekt schalten und mit der jeweils nächsten Station Verbindung aufnehmen.
Auf einer Anzeige verfolgte der Dosanthi den Fortschritt im Verbindungsaufbau vom Standort der RADONJU bei der Werft APERAS KOKKAIA bis zu seiner Heimatwelt. Die direkte Strecke konnte dabei wegen eines extrem starken Hypersturms nicht gewählt werden.
Als er eine Klarmeldung erhielt, erschien auch schon der gewünschte Teilnehmer, der Vorsteher seiner Ortsgemeinde auf Meloudil.
Tokun Gavang sah müde aus, die Lamellenhaut bleich. Da erst fiel Tion auf, dass er keinen Augenblick darüber nachgedacht hatte, welche Uhrzeit man am Zielort gerade schrieb.
Doch darauf kam es nicht an. Er konnte mit Tokun Gavang sprechen, nur das zählte. Und Tokun, der wie Tion dem Verzweifelten Widerstand angehörte, wusste, dass Tion sich niemals ohne triftigen Grund melden würde.
»Ich grüße von der RADONJU«, sagte er. Eine Floskel, die aber unabdingbar war; mit genau diesen Worten bestätigte Tion, dass er nicht etwa enttarnt und zu diesem Anruf gezwungen worden war.
»Ich freue mich, von dir zu hören.« Eine ebensolche Nichtigkeit – die bedeutete, dass auch Tokun frei sprechen konnte.
»Ein Einsatz liegt hinter mir. Ich kann nicht darüber reden. Wie sieht es in der Heimat aus? Sind die Siebenergruppen komplett?«
»Es gibt Nachwuchs. Wir errichten neue Wohnkavernen.«
»Die alten sollten abgerissen werden. Du kennst meine Meinung. Ich habe dir schon vor Jahren Pläne für einen Neubau überreicht. Sieben Kavernen, die je eine Einheit bilden, genau wie es jedem von uns im Privatleben geht.«
In dieser Art ging es noch einige Zeit weiter. Wenn jemand hinterher eine Aufzeichnung dieses Gesprächs sah, könnten nicht einmal die argwöhnischsten Augen und Ohren herausfinden, welche Informationen Tion dabei unter der Oberfläche weitergab.
Scheinbar harmlose Begriffe fungierten als Schlüsselwörter. Tion hatte sich jedes einzelne Wort zuvor genau zurechtgelegt. Nach einem nur Tokun Gavang und Tion selbst bekannten Kode-System bildeten die ersten Buchstaben bestimmter Wörter neue Daten und ergaben die Koordinaten einer Welt.
Während des Gesprächs saß Tion die Angst im Nacken. Er wartete darauf, doch noch enttarnt zu werden. Jeden Augenblick konnte ein Xylthe die Funkzentrale betreten und ohne Vorwarnung einen Schuss in Tions Kopf abfeuern: ein Verräter auf frischer Tat ertappt und an der Weitergabe strategischer Informationen gehindert.
Zum Glück geschah nichts dergleichen.
Tion konzentrierte sich auf seine Aufgabe, unterdrückte das drängende Verlangen, sich ständig umzudrehen und herauszufinden, ob tatsächlich jemand hinter ihm stand, dessen glühende Blicke er im Rücken spürte ...
»Ich danke dir für deinen Funkanruf«, sagte Vorsteher Gavang schließlich und
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