Privatdetektive (16 Romane in einem Band)
würde, wenn er ihn darauf ansprach.
7.
Lorant ließ den 'Wikinger' hinter sich, stapfte durch die nasse Wiese auf das Boot von Gretus Sluiter zu. Inzwischen lag es längst wieder an seinem Liegeplatz. Schräg gegenüber am Ausgang des Hafenbeckens befand sich ein Schilf-Areal. Dort war die JERRY offenbar steckengeblieben. Das verwunderte nicht. Bereits aus der Entfernung war anhand der Wellenbrechung zu sehen, wie flach es dort sein musste.
Ein paar Liegeplätze weiter montierte ein ziemlich kahlköpfiger Mann an seinem Boot herum. Er war gerade damit beschäftigt, eine Ankerwinde zu befestigen.
Als er Lorant bemerkte, musterte er ihn misstrauisch.
"Mein Name ist Lorant, ich bin Privatdetektiv und ermittle im Fall Sluiter."
Der Mann runzelte die Stirn. Er erhob sich, wischte sich die Nase mit dem Ärmel ab.
"Ja, und?"
"Sie sind Ihno Carstens, der Hafenmeister?"
"Jooo."
"Angeblich sollen Sie Gretus Sluiter gut gekannt haben."
"Gretus war eine Zeitlang Schriftführer bei uns im Yachtclub, als ich zweiter Vorsitzender war."
"Privat kannten Sie ihn nicht?"
"Natürlich kannte ich ihn privat. Aber..."
"Aber was?"
"Ich dachte, es stünde jetzt fest, dass Gretus verunfallt ist?"
"Für seine Witwe steht das überhaupt nicht fest."
Ihno Carstens schluckte. "Tja, ich meine ja nur. Meinert sagte so etwas letztens..."
"Sprechen Sie von Meinert Steen? Kriminalhauptkommissar Meinert Steen?"
Carstens nickte hastig. "Ja, genau!"
"Ist der auch im Yacht-Club?"
"Hören Sie, was wollen Sie eigentlich? Sie schnüffeln hier herum, stellen Fragen, die..."
"..die Ihnen schon zu nahe gehen? Tut mir leid, ich wollte nicht indiskret sein. Es ist nur so: Angeblich soll Sluiter an oder auf seinem Boot gestorben sein. Aber ich habe dahinten bei der Töpferei einen seiner Kugelschreiber gefunden und frage mich jetzt, ob er nicht auch dort zu Tode gekommen sein könnte." Lorant zuckte die Achseln. "Darüber mache ich mir eben so meine Gedanken."
"Na, dann denken Sie mal schön..."
"Sagen Sie, Sie kennen nicht zufällig jemanden, der ein Motiv gehabt haben könnte, Gretus Sluiter umzubringen?"
Ihno Carstens' Gesicht wurde starr. "Niemand, den ich kenne, würde so etwas tun!", behauptete er.
Lorant zuckte die Achseln.
"Jemand HAT es aber getan, Herr Carstens."
Er wandte sich herum, ging in Richtung des Liegeplatzes der JERRY. "Vielleicht sehen wir uns ja nochmal und unterhalten uns etwas ausführlicher!", rief er Carstens zu, bevor er dann mit einem weiten Schritt an Bord des Jollenkreuzers ging. Es war nicht ganz leicht, über die Reling zu klettern. Mit dem Klettverschluss eines Turnschuhs blieb er im Netz hängen.
"Was machen Sie?", rief Carstens.
"Ich sehe mich um!"
"Dürfen Sie das denn?"
"Frau Sluiter bezahlt mich sogar dafür!"
Lorant ließ den Blick schweifen. Die Polizei hatte die JERRY vermutlich gründlich unter die Lupe genommen. Hoffentlich gründlich genug!, dachte Lorant. Auf Blutspuren oder Fingerabdrücke brauchte er jetzt nicht mehr zu hoffen. Dazu war auch schon viel zu viel Zeit vergangen. Und das überaus feuchte ostfriesische Wetter hatte eine gewissermaßen reinigende Wirkung.
Sluiter wandte sich dem Kajüteneingang zu.
Das Schloss war leicht mit einer Kreditkarte zu öffnen.
Im Inneren herrschte Chaos. Segelzeug, eine Anglerhose, zwei lange Ruder für den Fall einer Flaute, ein geöffneter Werkzeugkasten.
Lorant stieg hinab.
An der Wand hing ein Barometer, daneben eine Meerjungfrau aus Messing. Das Innere war mit Holz ausgetäfelt.
Auf dem Boden fiel Lorant eine Kugel auf.
Eine Boßel-Kugel, wie er inzwischen aus eigener leidvoller Erfahrung wusste.
Lorant nahm sie in die Hände.
Die Kugel bestand aus Hartholz.
Wieso hat er dieses Ding nur mit auf sein Boot genommen?, fragte sich Lorant und ließ sich mit der Kugel im Arm auf das Polster der Sitzbank nieder.
Es muss einen vernünftigen Grund dafür geben!, durchzuckte es ihn. Er zermarterte sich förmlich das Hirn darüber. Im Geist hörte Lorant die swingende Basslinie von SO WHAT. Mit dem linken Fuß trat er die betonten Taktzeiten mit, während seine Finger auf der Hartholzkugel herumtickten.
Es musste eine Erklärung geben!
Aber da war eine andere Stimme in ihm, die ganz anderer Ansicht war.
Hat es für das Verschwinden deiner Frau eine Erklärung gegeben, Lorant?, fragte diese Stimme. Das unerklärbare Chaos ist der Normalzustand der Welt, Lorant! Vergiss das nicht!
Lorant schloss für einige Sekunden die Augen.
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