4 Farben platin
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Mit müden Augen starre ich seit geraumer Zeit auf den Bildschirm meines Laptops und blicke auf einen Zeitungsartikel, der über das St.-Francis-Kinderheim veröffentlicht wurde. Ich habe einen Bericht zum 50-jährigen Bestehen gefunden, auf dem alle Kinder abgebildet sind. Das Foto ist ein typisches Zeitungsbild, Schwarz-Weiß, von schlechter Qualität, doch ich glaube Elijah zu erkennen, zwar etwas jünger, aber unverkennbar sein Gesicht.
Es ist drei Uhr nachts und ich sitze in dem Ap partement von Rhys Cunninghams persönlicher Assistentin. Ja, ich habe es einfach nicht übers Herz gebracht, New York zu verlassen und Elijah am kommenden Sonntag zu versetzen. Doch insgeheim bin ich mir nicht sicher, ob das der einzige Grund ist, denn genauso wenig bringe ich es übers Herz, den Verlobungsring, den Rhys mir an den Finger gesteckt hat, abzunehmen. Obwohl es mehr als einen triftigen Grund dafür gibt.
W enn ich diesen Ring abstreife, dann habe ich das Gefühl, als gäbe ich Rhys auf, genauso, wie ich beinahe Elijah aufgegeben hätte, dabei will ich weder den einen noch den anderen verlieren. Genauso wenig, wie Alex, meinen Bruder. Er und Rhys sind Geschäftspartner, es sieht so aus, als könne ich den einen nicht behalten, ohne den anderen aus meinem Leben zu streichen. Dabei wäre es fatal, wenn sie meinetwegen alles aufs Spiel setzen würden, was sie viele Jahre aufgebaut haben. Nur, weil sie in einen Streit über mich geraten sind. Ich habe ein schlechtes Gewissen, dass gerade ich der Grund für ihre Trennung sein soll. Warum wird mir der Schwarze Peter zugeschoben, obwohl ich gar nicht spielen wollte?
Nervös drehe ich an meinem Ring. Er ist aus Platin und besitzt vier Diamanten , für jede Himmelsrichtung einen. Wunderbar schlicht, sehr wertvoll. Ich will gar nicht wissen, was Rhys für diesen Ring ausgegeben hat, wichtig ist nur, dass er den gleichen trägt, wenn er ihn nicht schon längst abgenommen und in die Kanalisation hinuntergespült hat.
Es wäre denkbar, denn bei Rhys hält keine Beziehung länger als ein paar Wochen. Außer mit Chris, dem Callgirl. Nun, ob man da von einer wirklichen Beziehung sprechen kann, ist fraglich. Jedoch löst schon ihr Name in mir Reaktionen aus, die dem Wort Eifersucht eine ganz neue Dimension geben. Ich mag sie nicht und bezweifle, dass ich sie je mögen werde. Sie und Rhys verbindet etwas, was uns bisher verschlossen blieb, und das nagt an mir, frisst sich wie ein Geschwür durch meinen Kopf. So, wie die Dinge zwischen mir und Rhys stehen, brauche ich mir aber nun keine großen Gedanken mehr zu machen, dieser Person noch einmal über den Weg zu laufen.
Nachdem ich erkannt habe, welches falsche Spiel Rhys mit mir spielt, sehe ich keine Zukunft mehr für eine Partnerschaft mit ihm. Wer die Frau, die er angeblich liebt, durch einen Privatdetektiv bespitzeln lässt, dazu noch alle Menschen in deren Umfeld, muss damit rechnen, dass dieser Schuss nach hinten losgeht.
Entschlossen klappe ich den Deckel des Laptops zu. Mein Entschluss steht fest: Ich werde meine Stelle nicht kündigen und New York auf keinen Fall verlassen. Was Rhys Cunningham betrifft, bin ich mir nicht sicher, ob ich ihm jemals verzeihen kann, doch eines steht fest – heiraten werde ich ihn nicht.
Der Schlaf übermannt mich kurz vor fünf, und als der Wecker um sechs schrillt, fühle ich mich, als müsste ich die Last der Welt tragen. Müde quäle ich mich unter die Dusche, ziehe mich an. Mrs Connor hat wirklich nicht viel in meinem Schrank gelassen, als sie vor ein paar Tagen meine Garderobe auf Rhy sʼ Wunsch in sein Appartement brachte. Nun, ich werde mir die Sachen natürlich zurückholen. Es ist nicht mehr damit zu rechnen, dass ich bei Rhys übernachte und neben ihm aufwache.
Ich wähle einen schwarzen Hosenanzug mit dunkelgrüne m Top. Nur kein Blau, wie Rhys es so bevorzugt. Warum er diese Farbe so bevorzugt, kann ich nicht sagen. Klar, sie passt gut zu seinen Augen, doch ich vermute mehr dahinter.
Ich zwinge mich zu einem Toast, auch wenn ich kaum Hunger verspüre. Doch ich brauche Energie, um den Tag zu überstehen, Kraft , um Rhys Cunningham die Stirn zu bieten. Er war klug genug, mich vollkommen in Ruhe zu lassen, nachdem ich so voller Zorn das Lokal verließ, in dem er das absurde Treffen mit Hunter inszenierte. Doch gleich werde ich ihm begegnen, das wird sich nicht vermeiden lassen.
Ich weiß nicht, wo Rhys die Nacht verbracht hat. Vielleicht bei Chris, seiner
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