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Professor Mittelzwercks Geschöpfe

Professor Mittelzwercks Geschöpfe

Titel: Professor Mittelzwercks Geschöpfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna und Günter Braun
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aber den Kopf gesenkt. Vielleicht sollte man nachts, wenn man über so deutlich hervortretende Knochen verfügt wie ich, einen Gast nicht unbekleidet empfangen, auch wenn er Wissenschaftler ist und deutliche Strukturen ihn nicht erschrecken sollten. Ich zog rasch etwas über und sagte, es ist ein bißchen spät geworden.
    Das bedaure ich sehr, sagte Mittelzwerck, ich möchte Ihnen deshalb auch nur einen ganz kurzen Besuch abstatten.
    Er blickte auf seinen Zeitanzeiger, dessen grüne Zahlen im Dämmer wa n derten. Ich fragte, warum haben Sie den anderen jungen Mann nicht mi t gebracht?
    Ach, sagte er, Herr Doktor Klimm muß sich für morgen restaurieren. Er schläft bereits im Flügler.
    Setzen Sie sich, die Stühle sind allerdings ein bißchen hart.
    Harte Stühle sind sehr gesund.
    Er setzte sich, ich setzte mich, und so verharrten wir ein Weilchen.
    Mir schien, als hätte sich Kollege Mittelzwerck extra meinetwegen fei n gemacht. Draußen beim Meeresgarten hatte er einen orangefarbenen Strampelanzug an, der bei den maritimen Arbeiten vorgeschrieben ist.
    Jetzt saß er in schneeweißem Hemd und schneeweißer Hose vor mir, die Füße steckten in schneeweißen Strümpfen und Sandalen, das Hemd war zugeknöpft, und das Geschlinge, von dem ein ungeschriebenes Gesetz auch heute noch verlangt, daß Männer es sich bei feierlichen Anlä s sen um den Hals knoten, hing breit und silbern vor seiner Brust. Das alles hatte er meinetwegen mitgeschleppt, weil ich, wie er vorhin beim Flügler sagte, Verdienste habe.
    Ich quäle doch die Menschheit sehr. Sie wird froh sein, wenn sie mich los ist und ich nur in Enzyklopädien aufzufinden bin. Die werden sie dann auf dem Klo lesen, auch nackend, Winde fahren lassend.
    Ich wollte immer sagen, na, Junge, nun laß dich gehen. Es war mir schrecklich, daß Mittelzwerck mir gegenüber dermaßen schüchtern war. Vielleicht hatte er draußen einen Sonnenstich erlitten. Sein Kopf, schön blond gelockt, war rot, die Stirnhaut zum Zerreißen straff gespannt, und auch die Hände, die auf der weißen Hose lagen, hatten zu reichlich Sonne abbekommen.
    Ich fragte, na, haben Sie geschafft, was Sie sich vorgenommen hatten?
    Vollständig, sagte er.
    Dann können wir noch etwas zu uns nehmen, die Muscheln sind zwar morgen auch noch genießbar, aber nur heute ist der Genuß der wahre.
    Wie, fragte er, ist es nicht gerade eine ihrer Eigenschaften, im Gegensatz zu herkömmlichen Muscheln sehr lange haltbar zu sein, ohne daß man sie konservieren muß?
    Haltbar schon. Ich dachte, sie würden noch besser schmecken, wenn sie nicht leider von gestern wären, weil ich an diesem Morgen nicht rausg e kommen bin, weil ihr da rumgestochert habt. Sonst würde dir noch ein größerer Genuß geboten. Ich sagte, morgen früh werde ich noch exquisit e re Muscheln holen, die Sonne darf noch nicht aufgegangen sein.
    Ach, morgen. Er sah mich merkwürdig an.
    Ich saß mit offener Jacke da, mit einer solchen Leinenjacke, wie sie die Arbeiter von der Gesellschaft tragen, und hinten auf dem Rücken befindet sich, schon fast verblichen, der blaue runde Stempel: Gesellschaft zur Verwertung und Entwicklung der Meeresfrüchte.
    Meine Hosen waren ausgefranste Jeans.
    Mir fiel nun ein, daß meine Haushaltsdame schon öfter meine Kleidung benörgelt hatte, vor allem im Hinblick auf meinen neunzigsten Geburtstag. Wenigstens dazu sollte ich mir etwas beschaffen, was meinem Rang en t spräche, der Stempel auf dem Jackenrücken sei doch geschmac k los. So seien früher die Kriegsgefangenen und sonstigen Unfreien heru m gelaufen. Es sehe ja so aus, als ob ich Sklave der Gesellschaft zur Verwe r tung wäre. Bei dem Geld, das Sie verdienen, kann das niemand verstehen.
    Ich hatte ihr geantwortet, ich ziehe an meinem Neunzigsten dies Zeug an oder gar nichts. Ich bin nun mal ein Mitglied dieser Gesellschaft, wenn auch ein sogenanntes führendes. Wozu es leugnen?
    Ich erklärte meinem Gast, ich trage immer diese Sachen, sie sind luftig und bequem.
    Das glaube ich. Er hatte weißlich blaue Augen und sah mich ernsthaft an. Nur kann man leider nicht immer so, wie man es möchte.
    Ach, doch, man kann. Ich wunderte mich, daß er sich so gezwungen gab. Was schüchterte ihn ein, wo er doch selbst Professor war, Professor und noch Doktor, zweimal sogar, und alles schon mit achtundvierzig Jahren. Wenn Mittelzwerck als wissenschaftlicher Anfänger mit gerade bestand e nem Examen zu mir gekommen wäre, hätte ich seine Schüchternheit ve r standen, aber

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