Propaganda
von Pritchett, einem Vertreter der Carnegie-Stiftung für internationale Friedensforschung, versucht, Fakten über die jüdische Kolonie inmitten der unruhigen arabischen Welt zu analysieren. Als Pritchett aufgrund seiner Untersuchungen zu dem Schluss kommt, dass der Zionismus auf lange Sicht »Unglück und Bitternis sowohl für Juden als auch für Araber mit sich bringen« werde, wird sein Standpunkt mit der Autorität der Carnegie-Stiftung im Hintergrund verbreitet, damit die Öffentlichkeit davon Kenntnis nehmen kann. Auch die Stellungnahme des Präsidenten des Immobilienmaklerverbandes von New York und der Bericht von Wirtschaftsminister Herbert Hoover stellen Versuche dar, die öffentliche Meinung in eine bestimmte Richtung zu lenken.
Diese Beispiele sollen nicht belegen, dass Propaganda eine fragwürdige Sache sei. Sie sollen vielmehr veranschaulichen, wie Ereignissen bewusst eine Richtung gegeben wird, und wie die Personen hinter diesen Ereignissen die öffentliche Meinung beeinflussen. So gesehen sind dies Beispiele für moderne Propaganda. An dieser Stelle können wir den Versuch unternehmen, »Propaganda« zu definieren.
Moderne Propaganda ist das stetige, konsequente Bemühen, Ereignisse zu formen oder zu schaffen mit dem Zweck, die Haltung der Öffentlichkeit zu einem Unternehmen, einer Idee oder einer Gruppe zu beeinflussen.
Die Praxis, bestimmte Assoziationen und Bilder in den Köpfen der Massen zu erzeugen, ist sehr weit verbreitet. Praktisch kein wichtiges Vorhaben wird heute mehr ohne diese Technik ausgeführt, ob man eine Kathedrale bauen, einer Universität Geld stiften, einen Film vermarkten, eine Anleihe ausgeben oder zum Präsidenten gewählt werden will. Es kann ein Propaganda-Fachmann sein, der diese Maßnahmen in die Wege leitet oder ein dafür abgestellter Amateur; entscheidend ist, dass die Maßnahmen übergreifend und kontinuierlich stattfinden. In der Summe steuern sie den Geist der Massen auf ähnliche Weise, wie die Befehlsgewalt beim Militär die Soldaten physisch unterwirft.
Die Zahl der Manipulierbaren ist groß. Aber mitunter reagieren sie störrisch auf Beeinflussungsversuche und lassen sich selbst durch die vereinten Kräfte von Gesetzgeber, Medien und Bildungssystem nicht umstimmen. Das kann daran liegen, dass eine Gruppe sich an ihre »hergebrachten Klischeevorstellungen klammert«, wie der Publizist Walter Lippmann das nennt. Dann bleibt von der Macht der Meinungsführer im öffentlichen Diskurs nichts mehr übrig. Ein Ku-Klux-Klan-Führer hat vielleicht ein Gespür für den Hunger nach Idealen in der Gesellschaft. Er erkennt, dass ein alt eingesessener Amerikaner sich von den vielen neuen Einwanderern beiseite gedrängt fühlt und um seinen Wohlstand und seine angestammte gesellschaftliche Stellung bangt. Diesen Menschen lockt der Klan mit dem Bild einer nordisch-nationalistischen Gesellschaft an. Weil das Bild so gut zu seinen Vorurteilen passt, kauft sich der Mann Bettlaken und Kopfkissenhülle, macht daraus ein Kostüm und tut sich mit Seinesgleichen zusammen. So entsteht eine Gruppe, die stark genug ist, um Wahlen zu beeinflussen und landesweit Parteiversammlungen lahm zu legen.
So wie unsere Gesellschaft heute organisiert ist, kann kein größeres Vorhaben ohne öffentliche Zustimmung gelingen. Auch eine lobenswerte Unternehmung ist zum Scheitern verurteilt, wenn sie sich der Öffentlichkeit nicht mitteilt. Wohltätigkeitsorganisationen müssen sich des Mittels der Propaganda bedienen, da die Öffentlichkeit aktiv gelenkt werden muss, wenn sie Geld ausgeben oder zur Tuberkulose-Impfung motiviert werden soll. Auch der Near East Relief, der Verband zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Armen in New York und alle anderen Wohltätigkeitsorganisationen müssen die Öffentlichkeit bearbeiten, als hätten sie Zahnpasta zu verkaufen. Wir sind stolz darauf, dass die Kindersterblichkeit kontinuierlich zurückgeht – aber auch dies ist ein Werk der Propaganda.
Propaganda existiert überall um uns herum, und sie ändert das Bild, das wir uns von der Welt machen. Man mag dies für eine übertrieben pessimistische Einschätzung halten – wobei noch zu beantworten wäre, was so negativ daran ist. Aber es ist eine Tatsache. In dem Maße, wie erkannt wird, in welchem Maße sich durch Propaganda öffentliche Unterstützung erreichen lässt, wird ihr Gebrauch zunehmen.
Bereits heute ist es so, dass jeder, der über genügend Einfluss verfügt, in der Lage ist, Teile der
Weitere Kostenlose Bücher