Propaganda
»Die bewusste und zielgerichtete Manipulation der Verhaltenweisen und Einstellungen der Massen ist ein wesentlicher Bestandteil demokratischer Gesellschaften. Organisationen, die im Verborgenen arbeiten, lenken die gesellschaftlichen Abläufe. Sie sind die eigentlichen Regierungen in unserem Land. Wir werden von Personen regiert, deren Namen wir noch nie gehört haben .«
Mit brutaler Offenheit beschreibt Bernays gleich im ersten Kapitel seines Buches die wahren Machtverhältnisse in der Demokratie. Es sind nicht die Politiker, sondern die Propagandisten, die bestimmen, wie eine Mehrheitsgesellschaft funktioniert. Nicht Wirklichkeit und Wahrhaftigkeit sind die entscheidenden Faktoren, sondern die Meinung der Leute, der Bürger, des eigentlichen Souveräns der Demokratie. Erste wichtige Erkenntnis: Man muss sich nicht damit abfinden, was der Souverän gerade für wichtig hält. Man kann ihn manipulieren, man kann ihm einreden, was er denken soll. Zweite wichtige Erkenntnis: Dieser Appell richtet sich nicht an den Verstand, sondern an das Gefühl. Es sind die Emotionen, die die Welt verändern. Das ist das Neue bei Bernays. Er ist ein rüder Medienmachiavelli, und er kennt keine Skrupel, wenn es darum geht, die Öffentlichkeit zu beeinflussen. Bei ihm wird die Zigarette zur »Fackel der Freiheit« und Wilsons Kriegseintritt zur nahtlosen Fortsetzung seiner Politik der Neutralität. Bernays entdeckt die Gesetze der Medienwelt: Wer sie ignoriert, kommt darin um. Das gilt bis heute. Er entdeckt verborgene irrationale Kräfte, die Menschen zum Handeln bewegen. Und das ist vielleicht seine wichtigste Erkenntnis: Die Konsumwelt muss revolutioniert werden. Nicht das Notwendige sollen die Kunden kaufen, sondern das Wünschenswerte. Konsequenterweise hat Bernays das amerikanische Frühstück erfunden. Ein Schinkenfabrikant, dessen Umsätze rückläufig waren, hatte ihn um Hilfe gebeten. Bis dahin begnügten die Amerikaner sich mit Kaffee, Toast und Saft. Um den Schinkenumsatz zu steigern, erfand er das »American Breakfast« mit »bacon and eggs«. Ein fulminanter Erfolg bis heute, der zeigt, dass man erfolgreich Wünsche wecken kann.
Ein Auto war bis zu Bernays Entdeckungen nichts weiter als ein Auto – ein Fortbewegungsmittel, kein Statussymbol. Kleider machten nicht Leute, sondern wärmten und schützten vor Kälte. Sie waren praktisch. Das war kontraproduktiv, denn Kleider sollten Lust auf das Ego machen und so Kunden zum Kaufen animieren. Wenn es darum ging zu verkaufen, änderte er die Lebensgewohnheiten seiner Klienten. Das sind heute Allgemeinplätze der Public Relations. Bernays hat sie entdeckt. Eine seiner spektakulärsten Aktionen war ein neues Image für Präsident Coolidge, der als gnadenloser Langweiler galt. Er empfahl ihm, Hollywoodstars zu Tee und Kuchen ins Weiße Haus einzuladen, und es funktionierte. Coolidge wurde von der amerikanischen Öffentlichkeit plötzlich als freundlicher Gastgeber wahrgenommen, und Bernays hatte erfolgreich eine Image-Reparatur platziert.
Soweit Bernays Welt – es waren noch die »harmloseren« Zeiten der Propaganda. Die Mediengesellschaft hat sich seit Bernays jedoch dramatisch weiterentwickelt. Internet, Satellitensender, Handys und andere »Propagandawaffen« produzieren die Stoffe, aus denen die Storys der totalen Mediengesellschaft sind. Das haben auch die islamistischen Terroristen begriffen. Sie nutzen das Internet und vor allem arabische Satellitensender, um ihre Botschaften zu verbreiten. Medien machen mächtig. Auch politische Underdogs. Da ihre wirkliche Macht schwer einzuschätzen ist, versuchen die Terroristen sich durch die Produktion von Angst größer zu machen, als sie möglicherweise sind. Bakunin war es, der schon im 19. Jahrhundert den Terrorismus als »Propaganda der Tat« definierte. Die grausamen Verbrechen geschehen vor allem für die Medien. Die Tat selbst ist die Propaganda. Die feindlichen westlichen Medien sorgten auch noch umsonst für die Verbreitung der Bilder. 9/11 und die Zerstörung der New Yorker Türme sind ein schlagender Beweis für die »Propaganda der Tat«.
Der Terrorismus lebt vor allem von der Propaganda. Die wirkliche Macht und der Einfluss der Terrorgruppen sind schwer überprüfbar. So versuchen zum Beispiel die Taliban, den Eindruck zu erwecken, sie seien wieder zur entscheidenden Macht in Afghanistan geworden. Bei jeder Entführung, bei jedem Attentat übernehmen sie sofort die Verantwortung. So wirken sie fast
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