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Prophezeiung der Seraphim

Prophezeiung der Seraphim

Titel: Prophezeiung der Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Vassena
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Haufen Geld in der Tasche.«
    Ruben musste lächeln. »Das wirst du bestimmt.«
    »Woher hast du das?«, fragte Henri plötzlich und starrte auf Rubens Brust. Der legte seine Hand über den Anhänger aus poliertem Stein, den er an einer Kordel um den Hals trug. »Den hab ich schon immer. Ist nichts Besonderes.«
    Hastig schob er den Anhänger wieder unter sein Hemd, wo er glatt und beruhigend an seiner Haut lag. Außer seinem Namen war dies das Einzige, das ihn mit seiner Herkunft verband. Eine Botschaft seiner Eltern, ein Zeichen für ihn, dass er ihnen nicht gleichgültig gewesen war – so sah er es.
    Der Morgennebel über den Feldern löste sich auf, und die Sonnenstrahlen wärmten den Jungen die klammen Finger. Sie lebten auf und erzählten sich, wie sie hießen und woher sie kamen. Monsieur Prudhomme schien nicht zu stören, dass sie miteinander redeten, er drehte sich kein einziges Mal zu ihnen um. Doch schon bald versiegte das Gespräch wieder. Der Karren rumpelte über holprige Wege, die sich zwischen Wäldern und Weideland wanden, und die Jungen mussten sich festklammern, so wurden sie hin und her geschüttelt. Mit der Zeit wurden die Stöße unerträglich, und als Ruben einen Augenblick lang unaufmerksam war, wurde er gegen die Seitenwand geschleudert und riss sich die Ober lippe auf.
    Alle Insassen waren heilfroh, als der Wagen gegen Mittag an einem Flüsschen anhielt und Prudhomme vom Kutschbock sprang. Die Jungen durften trinken, dann verteilte Prudhomme schweigend Käse und hartes Brot. Ruben kamen erste Zweifel daran, ob sein neues Leben so angenehm sein würde, wie ihr Wohltäter es ihnen am Vorabend ausgemalt hatte. Kurz darauf ging es weiter, und das Rumpeln begann von Neuem für viele Stunden. Sie passierten zahlreiche Dörfer, doch nie hielten sie an. Erst bei Einbruch der Dämmerung endete die Reise vor einem Gasthaus auf dem Marktplatz einer Kleinstadt. Ruben staunte über die schmucken Fachwerkhäuser, die so viel einladender wirkten als die elenden Hütten von Vaumort.
    »Hopp, hopp!« Prudhomme scheuchte sie von der Ladefläche wie Schafe. Ruben ächzte, als er sich endlich strecken konnte. Seine Knochen fühlten sich an, als wären sie durcheinandergeraten und würden nie wieder an ihren richtigen Platz zurückfinden. Den anderen Jungen ging es wohl genauso: Die ersten Schritte auf festem Boden liefen sie so krumm, dass sie wie uralte Zwerge aussahen – es fehlten nur die weißen Bärte.
    Diesmal durften sie nicht mit in die Gaststube. Prudhomme brachte sie in den Hinterhof des Wirtshauses, wo es nach feuchtem Unrat stank, drückte jedem eine Karotte in die Hand und schickte sie in einen windschiefen Schuppen, in dem es modrig und klamm roch. Ruben war der Letzte, und er zuckte zusammen, als hinter ihm die Tür zuknallte und der Riegel vorgeschoben wurde.
    Im Inneren des Schuppens war es finster wie in einer Räucherkammer, und schon nach wenigen Schritten stieß er sich das Schienbein. »Mist!« Er rieb sich die schmerzende Stelle und hörte, wie in der Nähe jemand in einem Haufen alter Töpfe landete – zumindest klang das laute Scheppern ganz danach. Von draußen brüllte Prudhomme: »Ruhe da drinnen! Legt euch schlafen, morgen geht es in aller Frühe weiter.« Die Jungen hörten, wie sich seine Schritte entfernten.
    »Das war’s wohl mit Kartoffeln und Wurst«, sagte einer der Jungen. Es knackte, als er in seine Karotte biss.
    »Ich hab Angst im Dunklen«, flüsterte Henri neben Ruben. Diesem war ebenfalls nicht wohl, denn seit Grimaud ihn einmal zwei Tage lang in eine Kornkiste gesperrt hatte, bekam er in engen dunklen Räumen immer das Gefühl, ein Gewicht laste auf seiner Brust, sodass er nicht atmen konnte. Doch seltsamerweise half ihm Henris Furcht, seine eigene zu unterdrücken. Er streckte den Arm aus und war froh, als er die Hand seines neuen Freundes fand. »Na komm, suchen wir uns einen Schlafplatz.« Gemeinsam tasteten sie sich voran und fanden einen muffigen Strohhaufen an der Rückwand des Schuppens. Notgedrungen legten sie sich darauf nieder und rückten so dicht wie möglich zusammen, um sich gegen die nächtliche Kälte zu schützen.
    »Was meinst du, wie wird es in Paris?«, fragte Henri in die Dunkelheit.
    Ruben war froh, dass er sich um den Jüngeren kümmern konnte, es lenkte ihn davon ab, dass er selbst Angst vor dem hatte, was ihn dort erwartete. Er war nicht mehr so sicher, ob es gut gewesen war, wegzugehen. Seit sie weit genug gefahren waren, sodass kei ner

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