Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Prophezeiung der Seraphim

Prophezeiung der Seraphim

Titel: Prophezeiung der Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Vassena
Vom Netzwerk:
Seraphim von unschätzbarem Wert sei und er einen besonderen Platz unter ihnen einnehmen würde. Die Vorstellung gefiel Ruben, und heute sollte sie Wirklichkeit werden: Cal würde ihn dem Rat vorstellen, der sich in der Abtei zusammenfand. Die Ratsmitglieder mussten bereits eingetroffen sein, auch wenn Ruben nichts davon bemerkt hatte.
    Es klopfte, vor der Tür stand Denis Villeraux, der stets zur Stelle war, sobald Ruben seine Räume verließ, und jeden seiner Schritte zu verfolgen schien. Ruben fragte sich, ob sein Vater ihm misstraute, obwohl er ihm alles gesagt hatte, was er wissen wollte – sogar, wo Julie sich aufhielt. Was ihm die Comtesse erzählt hatte – dass seine Schwester gar nicht an dem vereinbarten Treffpunkt erschienen war –, hatte ihn tief getroffen. Sie und ihre Freunde hatten ihn also doch einfach nur loswerden wollen!
    »Lassen wir den Erzengel nicht warten«, sagte Villeraux nun und führte Ruben eilig durch die labyrinthisch verschachtelten Gänge und Säle bis zum Kreuzgang, wo sein Vater im Schatten der Säulen auf ihn wartete, gekleidet wie ein Höfling in Kniehose, Weste und Rock.
    »Es ist soweit: Endlich werden wir dich in den Rat der Seraphim aufnehmen. Ich möchte dich an meiner Seite haben und deine Meinung zu den wichtigen Fragen hören, die uns in dieser Zeit des Umbruchs beschäftigen.«
    Ruben wusste nicht, was er antworten sollte, doch er glühte vor Stolz.
    »Trotzdem musst du dich würdig erweisen, bevor du dem Rat beitreten kannst. Es gibt Seraphim, die an deiner Loyalität zweifeln. Bist du bereit?«
    »Ja, Vater.« Mehr brachte Ruben nicht heraus. Welche Prüfung mochte ihm bevorstehen?
    An der Seite seines Vaters durchquerte er neue, unbekannte Säle und stieg schließlich eine Treppe hinunter in einen fensterlosen Raum, der zu einem Großteil von gigantischen Backsteinsäulen eingenommen wurde. Cal hatte ihn ins Innere der Abtei geführt, dort, wo die Luft schal war und die Säulen näher zusammenzurücken schienen, während man zwischen ihnen hindurchging.
    »Wir sind jetzt unter dem Chor der Kirche.« Cal blieb vor einer niedrigen, unauffälligen Holztür stehen und zog aus seiner Tasche einen gläsernen Stab, der mit einem verschlungenen Muster aus silbernen Drähten überzogen war. Diesen Stab schob er in ein Loch in der Mauer. Er lächelte über Rubens erstaunten Blick.
    »Wenn man ihn nicht zu benutzen weiß, zerbricht er.« Er drehte den Glasschlüssel erst in die eine, dann in die andere Richtung, bis ein Klicken ertönte und die Tür aufschwang. Dahinter öffnete sich ein schmaler Gang. Im Gehen strich Ruben über die Wände, die so glatt waren wie Glas und keine Spuren von Werkzeugen aufwiesen.
    »Wir betreten nun das Herz der Abtei«, sagte Cal, nahm eine Laterne von einem Haken zu ihrer Rechten und entzündete sie mit einem Fingerschnippen.
    Ruben zog unwillkürlich den Hals ein, während er seinem Vater folgte. Seine alte Angst vor Enge und Dunkelheit erwachte, aber er wollte sich nichts anmerken lassen. Der Gang beschrieb eine lang gezogene Biegung, die leicht abwärtsführte und kein Ende zu nehmen schien. Bald hatte Ruben jedes Zeitgefühl verloren, zudem schwitzte er, da es immer wärmer wurde, je tiefer sie kamen. Nach und nach wurde die Biegung immer enger, und endlich begriff Ruben, dass sie der Windung einer Spirale folgten. Es schien Ewigkeiten zu dauern, bis sie den Mittelpunkt dieser Spirale erreichten, doch auch von hier ging es noch weiter: eine Wendeltreppe führte in die Tiefe. Bestimmt waren sie schon unter dem Meeresspiegel.
    »Wir befinden uns in dem Felsen, um den herum die Abtei vor vielen Jahrhunderten erbaut wurde.« Als hätte er seine Gedanken gehört, wies Cal die abwärts führende Treppe hinunter.
    Der Laternenschein spiegelte sich auf den Stufen, die so glatt waren, dass Ruben achtgeben musste, nicht auszugleiten. Es kostete ihn seine gesamte Selbstbeherrschung, nicht aufzustöhnen. Wie tief sollte es noch hinuntergehen?
    Welche Erleichterung, als sie endlich vor einer weiteren Türe standen, diesmal aus Eisen, mit schweren Beschlägen und einem klobigen Schloss für den gläsernen Stab. Cal drehte ihn wieder vorsichtig in die eine, dann in die andere Richtung. Von der anderen Seite erklang ein mahlendes Geräusch, als rieben Felsen aneinander.
    »Jetzt kannst du den Riegel beiseiteschieben«, sagte Cal.
    Kälte durchfuhr Rubens Arm, als er das Metall berührte, aber er ließ nicht los und öffnete die Tür. In dem Raum dahinter

Weitere Kostenlose Bücher