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Prophezeiung der Seraphim

Prophezeiung der Seraphim

Titel: Prophezeiung der Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Vassena
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war es so finster, als wäre die Dunkelheit eine greifbare Substanz. Unmöglich, auch nur einen Fuß über die Schwelle zu setzen. Aber Cal schob sich an ihm vorbei und hielt die Laterne hoch. Ihr Schein wurde von der Dunkelheit verschluckt, bevor er auf Wände oder Boden traf.
    »Komm.« Der Erzengel klang ungeduldig.
    Ruben machte einige zögerliche Schritte und streifte mit den Fingern am Türrahmen entlang. Er spürte wieder den glatten Stein, die Mauer musste mehrere Schritte dick sein, dann fasste er ins Nichts und blieb stehen.
    Wieder schnippte sein Vater mit den Fingern, und auf einen Schlag war alles in die Helligkeit eines endlosen Blitzes getaucht, sodass Ruben die Augen mit der Hand schützen musste. Ihm wurde schwindlig, denn er hatte das Gefühl, der gesamte Raum bewegte sich. Und es war tatsächlich so: Die Türöffnung verschwand, eine Felswand glitt vor den Eingang, dann kam der Raum zum Stillstand.
    »Alle Verliese sind um eine drehbare Achse herum angeordnet.« Cal lachte leise. »Man müsste sich durch den Fels bohren, um zu entkommen. Ach, dort drüben liegt er, sehen wir ihn uns an.«
    Ruben linste unter seiner Hand hervor und sah, in Licht gebadet, einen menschlichen Körper auf dem Boden liegen. Es war ein Junge, zusammengerollt, die Arme vor seinem Gesicht gekreuzt. Ruben erkannte ihn dennoch. Es war Henri.
    »Sieh ihn dir an, deinen Menschenfreund«, sagte Cal mit sanftem Spott. »Wenige Wochen hier unten haben ausgereicht, um ihn zu zerrütten.« Er stieß den Jungen mit der Fußspitze an. Henri zuckte zusammen, gab aber keinen Laut von sich.
    Ruben war wie erstarrt. Er wollte zu Henri stürzen und ihm helfen, aber Cals eigenartiges Lächeln hielt ihn davon ab. Der Erzengel hatte gesagt, dass er ihn prüfen würde, und so biss Ruben die Zähne zusammen und rührte sich nicht.
    »Beklagenswert, wie schwach Menschen sind. Wie konntest du dieses Ding als dir ebenbürtig betrachten? Du bist ihm so hoch überlegen, dass er es sich nicht einmal vorstellen kann. Bedeutet dir dieser Wurm noch irgendetwas?«
    Ruben ballte die Fäuste und schwieg.
    Der Erzengel senkte den Kopf. »Dann habe ich mich also in dir getäuscht.« Er wandte sich ab.
    »Nein!« Das Wort schnitt in Rubens Kehle wie ein Glassplitter. »Er bedeutet mir nichts.«
    Cal glitt auf ihn zu. »Dann beweise es.« Er deutete mit einem Nicken auf Henri.
    »Was soll ich tun?«, brachte Ruben heraus.
    »Füge ihm Schmerzen zu. Ich möchte sehen, wie du deine Gabe anwendest.«
    Ruben blinzelte seinen Vater an, das Licht stach noch immer in seine Augen. Ihm war übel.
    Cal lächelte und verschränkte die Arme. »Du hast nicht etwa Mitleid mit diesem Kümmerling?«
    »Bestimmt nicht«, sagte Ruben beinahe flehend, während er insgeheim nach einem Ausweg suchte.
    Das Gesicht des Erzengels blieb unbewegt. »Du hast zu lange unter Menschen gelebt und das hat dich verdorben. Morgen wirst du die Abtei verlassen, mich kümmert es nicht, was aus dir wird.«
    »Vater, nicht«, flüsterte Ruben. »Ich werde es tun.« Er trat zu Henri, kniete neben ihm nieder und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Seine Finger wurden warm, er spürte Lebenskraft durch den abgemagerten Körper fließen, schwach, aber deutlich. Ohne Rubens Zutun begann seine eigene Stärke auf die reglose Gestalt überzugehen, und er spürte das bekannte Ziehen in seinem Inneren. Schweiß trat auf Rubens Stirn, er musste all seine Konzentrationsfähigkeit aufbieten, um den Fluss anzuhalten und umzukehren.
    »Beweise mir, dass du mein Sohn bist«, flüsterte Cal. Unheimliche Schatten tanzten auf seinem Gesicht. »Zeig mir, wozu du fähig bist.«
    Ruben knirschte mit den Zähnen und stöhnte, dann fuhr Henris Lebenskraft wie ein Blitz in seinen Arm und schleuderte ihn zurück. Der Junge, der sein einziger Freund gewesen war, bäumte sich auf und gab einen lang gezogenen Schrei von sich. Es klang, als würde er innerlich zerrissen – und auch in Ruben zerbrach etwas. Er unterdrückte den Drang, sich vor Entsetzen die Hände auf die Ohren zu pressen, lag am Boden und keuchte, sein Arm pulsierte, dann erbrach er sich.
    »Eindrucksvoll«, sagte Cal und blickte kühl auf den reglosen Körper Henris. Dann streckte er Ruben die Hand hin und half ihm auf. »Das war immerhin ein Anfang. Du wirst sehen, von Mal zu Mal wird es einfacher. Nun, lassen wir diesen Menschen sich etwas erholen, sonst stirbt er uns noch und du hast niemanden mehr zum Üben.«
    »Ja, Vater.« Ruben konnte sich kaum

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