Psalms of Isaak 01. Sündenfall
vernichten.« Petronus’ Stimme wurde von Gefühlen überwältigt, während er einen Mann zitierte, von dem er einst jedes geschriebene Wort auswendig gelernt hatte: »Sehet, ich bestimme euch zur Bastion der Vernunft gegen dieses Zeitalter des Lachenden Wahnsinns, und das Wissen soll euer Licht sein, und die Finsternis soll davor flüchten.«
Hyram war eine Minute lang still. Dann wiederholte er seine Frage. »Was wirst du nun tun?«
Petronus fuhr sich übers Gesicht. »Wenn sie mich darum bitten, werde ich helfen. Aber ich werde ihnen nicht die Hilfe bringen, die sie wollen. Ich werde ihnen die Hilfe bringen, die sie brauchen.«
»Und bis dahin?«
»Ich werde versuchen zu schlafen. Ich werde mich wieder ans Fischen machen.«
Hyram nickte und erhob sich. »Dann bist du überhaupt nicht neugierig?«
Petronus antwortete nicht. Er war wieder dazu übergegangen, den Himmel im Nordwesten zu betrachten und merkte nicht einmal, als sein Freund sich leise davonstahl.
Schließlich, als das Licht nachließ, ging er nach drinnen und versuchte, ein wenig Suppe zu sich zu nehmen. Sein Magen leistete Widerstand, und er lag stundenlang im Bett, während hinter seinen geschlossenen Augen die Bilder aus seiner Vergangenheit vorbeizogen. Er erinnerte sich an das Gewicht des Ringes an seinem Finger, an die Krone auf seiner Stirn, an die tiefroten Talare und die königsblauen Stolen. Er erinnerte sich an die Bücher und die Magie und die Maschinen. Er erinnerte sich an die Statuen und die Gräber, die Kathedralen und die Katakomben.
Er erinnerte sich an ein Leben, das nun einfacher schien, weil er in jenen Tagen die Antworten mehr geliebt hatte als die Fragen.
Nach einer weiteren Nacht, in der er sich herumgeworfen und seine Laken nassgeschwitzt hatte, stand Petronus noch vor dem ersten Fischer auf, packte leichtes Gepäck zusammen und schlüpfte hinaus in den frischen Morgen. An der Tür ließ er eine Nachricht für Hyram zurück, die besagte, dass er zurückkommen würde, sobald er es mit eigenen Augen gesehen habe.
Als die Sonne aufging, war er bereits sechs Wegstunden näher daran zu wissen, was mit der Stadt und der Lebensart geschehen war, die einst seine größte Liebe und sein schönster, rückwärtsgewandter Traum gewesen war.
Neb
An den Großteil der letzten beiden Tage konnte Neb sich nicht erinnern. Er wusste, dass er sie damit zugebracht hatte, über seiner zerfledderten Abschrift der whymerischen Bibel und ihrem Begleitband, dem Kompendium der historischen Erinnerung , zu meditieren und zu grübeln. Sie waren ein Geschenk seines Vaters gewesen.
Dass sich im Wagen weitere Bücher befanden, wusste er natürlich. Dort gab es auch Essen und Kleidung und neue Werkzeuge, die in Wachstuch eingeschlagen waren. Aber er brachte es nicht über sich, etwas davon zu berühren. Er brachte es nicht einmal über sich, sich überhaupt zu bewegen.
Stattdessen saß er einfach nur da, während die trockene Hitze des Tages und die frische Kühle der Nacht sich abwechselten, wiegte sich hin und her und murmelte die Worte seiner Meditationen, die Verse seines Evangeliums, die Vierzeiler seiner Klage.
Bewegungen im Flusstal unterhalb lenkten ihn davon ab. Männer auf Pferden näherten sich dem geschwärzten Rand der glimmenden Stadt und verschwanden in dem sich kräuselnden Rauch, der wie die Seelen der Verdammten über allem hing. Neb legte sich flach auf den Bauch und kroch an die Kante des Hügelkamms. Hinter ihm pfiff ein Vogel nicht weit über dem Boden.
Nein, dachte er, kein Vogel. Er kam auf alle viere und drehte sich langsam um.
Es wehte kein Wind. Und dennoch spürte er ihn vorbeistreichen, als Geister aus dem Wald glitten und ihn umzingelten.
Neb sprang auf und fing stolpernd an zu laufen.
Ein unsichtbarer Arm packte ihn und hielt ihn fest. »Halt ein, Junge.« Die flüsternde Stimme klang, als käme sie aus einem Raum, der mit Baumwollballen ausgestopft war.
Da, aus nächster Nähe, konnte er den dunklen Ärmel aus Seide erkennen, den geflochtenen Bart und die breiten Schultern eines Mannes. Neb wehrte sich, und weitere Arme tauchten auf, hielten ihn fest und zwangen ihn zu Boden.
»Wir werden dir kein Leid zufügen«, sprach die Stimme weiter. »Wir sind Späher aus dem Delta.« Der Späher hielt inne, damit die Worte sich setzen konnten. »Bist du aus Windwir?«
Neb nickte.
»Wenn ich dich loslasse, bleibst du dann, wo du bist? Es war ein langer Tag in den Wäldern, und ich will dich nicht einfangen
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