Psychologische Homöopathie
anschließend wundert er sich, warum er einsam ist. Auch Nux vomica spricht sehr offen, aber es gibt da einen Unterschied. Nux läßt bereitwillig die Luftballons der Leute platzen und genießt beinahe ihr Unbehagen. Mercurius ist im allgemeinen weniger aggressiv. Er sagt, was er sieht, ohne darüber nachzudenken, ob er den anderen damit verletzt, oder er redet sich sogar ein, daß er dem anderen damit etwas Gutes tut, aber er spricht in den meisten Fällen nicht aus einer Verärgerung heraus. Mercurius ist wesentlich neutraler und distanzierter als Nux, obwohl seine scharfe, zielstrebige Art den Homöopathen an letzteren erinnern kann.
Der Puer hat Eigenschaften des Narren, weil er nicht nachdenkt, bevor er spricht oder handelt. Er ist so spontan, daß er jede Gelegenheit nutzen kann, die das Schicksal ihm bietet. Und weil er so formbar ist, kann er sich dem Fluß der Ereignisse anpassen, was den Eindruck erweckt, als habe er sehr vielGlück. Auf der anderen Seite kann er sich auch in alle möglichen unangenehmen Situationen manövrieren, weil er nicht hinsieht, bevor er springt. Ein gutes Beispiel ist die Tendenz des Mercurius-Puer, impulsiv in Beziehungen hineinzuspringen. Verschiedene meiner Mercurius-Patienten haben darüber berichtet. Die prickelnde Erregung einer neuen Beziehung reizt sie so sehr, daß sie nicht darüber nachdenken, wohin das Ganze führen könnte. Manchmal klappt es, manchmal wird es eine Katastrophe.
Der Mercurius-Narr ist oft sehr geistesabwesend. Das hat zum Teil damit zu tun, daß er vollkommen in der Gegenwart lebt und deshalb nichts aus den Fehlern der Vergangenheit lernt. Genausowenig macht er irgendwelche Pläne. Die Frau eines meiner Mercurius-Patienten erzählte mir, sie müsse immer die Route für die Wochenendausflüge planen, weil ihr Mann den Weg sonst jedesmal nur rate und sich dabei oft genug hoffnungslos verfahre. Er ist immer sehr selbstsicher und macht dann oft eine Bauchlandung. Genauso neigt der Mercurius-Narr dazu, ohne Schlüssel aus dem Haus zu gehen. Er denkt einfach nicht daran. Er mag zwar durchaus fähig sein, abstruse wissenschaftliche oder esoterische Informationen miteinander zu verknüpfen, aber er denkt nicht daran, seine Schlüssel mitzunehmen. Das ist ein Beispiel für die schwierige, unzuverlässige Art des Narren. Wenn er durch Nachlässigkeit eine ihm anvertraute Aufgabe nicht erledigt hat, fällt ihm bestimmt eine passende Ausrede ein; oder aber sein Kopf ist einfach leer, und er entschuldigt sich überhaupt nicht. Mercurius hat oft eine gewisse Zeit diese Leere im Kopf (wie immer bei Mercurius geht es dabei um alles oder nichts). Es ist andererseits gerade diese Leere, die es ihm ermöglicht, so objektiv zu sein und sich der inneren Weisheit zu öffnen. Doch sie kann ihn auch völlig dumpf machen, so daß er nichts mehr zu sagen hat. Der Direktor von Peter Sellers' Schule sagte über seinen früheren Schüler: »Sellers hinterließ nicht den geringsten Eindruck. Er verschmolz gewissermaßen mit dem Mobiliar. Er hatte wenig mit uns gemein.« Derselbe Sellers machte als Schauspieler einen enormen Eindruck, weil er das, was er war, nicht zu spielen brauchte. Mercurius kann närrisch wirken, weil er so hastig mit Worten umgeht (Kent: »Ein ausgesprochener Zug von Merkur ist Hastigkeit«), oder auch, weil er überhaupt nichts sagt. Peter Sellers spielte einen solchen ausdruckslosen Narren in dem Film Willkommen, Mr. Chance.
In den letzten Jahren sind eine ganze Reihe von Filmen über Narren gedreht worden, und in allen sind die Hauptrollen mit Schauspielern besetzt, die konstitutionell wahrscheinlich Mercurius sind. Außer den bereits genannten denke ich an The Jerk mit Steve Martin, National Lampoon's Vacation mitChevy Chase, Rainman mit Dustin Hoffman, Forrest Gump mit Tom Hanks, Hudsucker – Der große Sprung mit Tim Robbins und Dumm und dümmer mit Jim Carrey; außerdem Bull Murray in verschiedenen Filmen. Alle diese Schauspieler haben bestimmte merkurische Züge. Sie wirken jugendlich, unschuldig, distanziert, »hell und strahlend«. Ihre Gesichtszüge und ihre körperliche Erscheinung stimmen ebenfalls sehr stark mit Mercurius überein. Diese Mercurius-Schauspieler wurden für die Rolle des humorvollen Idioten ausgewählt, weil sie von Natur aus fähig sind, die seltsame Kombination von geistiger Ausdruckslosigkeit und intelligenter Spontaneität darzustellen, die man so oft bei Mercurius findet.
Der Trickster
C. G. Jung benutzte den Ausdruck
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