Psychologische Homöopathie
Hormonschwankungen können das empfindliche emotionale Gleichgewicht von Pulsatilla auch durcheinanderbringen. In Kents Repertorium wird sie unter den Rubriken »Geisteskrankheit – menopausal« und »Geisteskrankheit – puerperal« aufgeführt, aber ich bin sicher, daß die emotionale Labilität in diesen Phasen bei Pulsatilla-Frauen verbreiteter ist als Geisteskrankheit.
Passivität, Schlichtheit und Sinnlichkeit
Pulsatilla ist kein sehr dynamischer Typ. Wie Calcium liebt sie ein stabiles, sinnliches, angenehmes Leben, dessen hauptsächliche Befriedigung darin besteht, daß sie ihre Familie liebt und für sie sorgt. Wie Calcium und Phosphor ist sie natürlich, unberührt von intellektuellen Winkelzügen. Sie fühlt nicht den Drang, ihr Haus peinlich sauberzuhalten oder in ihrer Freizeit etwas »Nützliches« zu tun. Wenn sie es sich leisten kann, ist sie gerne faul (Kent: »Indolenz«), es sei denn, ihr Partner fordert sie auf, produktiv zu sein. Aber selbst dann wird sie meist passiven Widerstand leisten und tun, was sie will, wenn er nicht da ist (es sein denn, er ist aggressiv genug, um sie in Angst zu versetzen, oder droht damit, sie zu verlassen). Wenn sie in ihrem Element ist, wirkt Pulsatilla wie ein Weinstock, gesegnet mit üppigen Trauben, träge, aber angefüllt mit der Vitalität der Erde, der großzügig, aber fast nonchalant die Umstehenden mit Saft versorgt. In ihrer Rolle als Mutter und Ehefrau/Geliebte ist sie natürlich und spontan, aber statt wie Calcium eine solide und verläßliche Glucke zu sein, ist sie die Erdgöttin, leidenschaftlich und sinnlich mit ihrem Gefährten, freigebig und entspannt mit ihrem Nachwuchs. Im häuslichen Bereich ist der Unterschied zwischen Pulsatilla und Calcium eher graduell als prinzipiell. Calcium ist bodenständiger, sachlicher und pragmatischer, aber dabei immer noch sinnlich und träge. Pulsatilla ist im wesentlichensinnlich, fürsorglich und zart in ihren Gefühlen, emotionaler als Calcium, weiblicher und weniger pragmatisch.
Es gibt zahllose Ähnlichkeiten zwischen Pulsatilla und Calcium, und ein Vergleich zwischen beiden Typen hilft, die jeweilige Art zu verdeutlichen, denn dabei zeigen sich die subtilen Unterschiede, die die verschiedenen Essenzen widerspiegeln. Die Essenz von Calcium, so könnte man sagen, ist Struktur, Trägheit und »Materialität«, Ihr geht es um das Dauerhafte, das Praktische und den gesunden Menschenverstand. Die Essenz der erwachsenen Pulsatilla ist Fruchtbarkeit, Sinnlichkeit und Fürsorge. Sie ist der Inbegriff all dessen, was rein weiblich ist. Gleichwohl enthält jeder Typ die Essenz des anderen als zweites »Lebensthema«. Calcium ist sinnlich und fürsorglich, und Pulsatilla beschäftigt sich mit häuslichen Angelegenheiten und ist gewöhnlich eine gute Köchin und Hausfrau, ebenso wie eine liebevolle Mutter und eine leidenschaftliche Geliebte.
Ein ausgezeichnetes (wenn auch etwas extremes) Beispiel einer Pulsatilla-Frau in ihrem Element ist die Gestalt der Emma Badgery in Peter Careys vergnüglichem Roman Illywhacker. Emma wird zunächst als schüchterne, ordentliche Lehrerin im australischen Hinterland beschrieben. Sie verliebt sich schnell in denjungen Charles Badgery, nachdem er ihr zu Hilfe geeilt ist und einen riesigen Waran (eine große Echse) entfernt hat, der eine Stunde lang auf ihrem Rücken gesessen hatte, während sie sich vor lauter Angst nicht zu rühren wagte. Das Paar zieht nach Sydney, wo sie eine Tierhandlung eröffnen und Emma, in echter Pulsatilla-Manier, ihr Leben ohne jede Frage ganz ihrem Mann widmet, glücklich mit ihm arbeitet, klaglos alle schmutzigen und niedrigen Tätigkeiten verrichtet und ihm abends eine leidenschaftliche Geliebte ist. Die beiden leben auf diese Weise in seliger Unschuld, bis Charles, ein Patriot und völlig unsensibler Sulfur, sich mitten im zweiten Weltkrieg, ohne seiner Frau etwas zu sagen, freiwillig zum Wehrdienst meldet. Erst als er fort ist, hört Emma, wo er ist und warum. In Panik eilt sie zu den Kasernen, aber es ist zu spät – er ist nicht mehr dort. Es stellt sich heraus, daß Charles aus medizinischen Gründen nicht kriegstauglich ist, aber die Tatsache, daß er Emma schweigend verlassen hat, hinterläßt in ihrer Beziehung eine bleibende Narbe. Emma wird zur Karikatur einer Pulsatilla.
Als Charles in die Tierhandlung zurückkommt, findet er sie zusammengekauert auf einem Strohlager in einem großen Käfig, ihr jüngstes Kind im Arm. Sie scheint halb wach zu
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