Psychosomatische Homoeopathie
platte Auslegung seelischer Hintergründe.
Der Körper spricht bei Konflikten
Andererseits gibt es aber auch Hinweise, auf die wir uns verlassen können. Der betroffene Körperteil spricht zu uns. Nehmen Sie als Beispiel Schmerzen im Kniegelenk. Das Knie ermöglicht uns das Gehen, aber es erlaubt uns auch, uns klein zu machen, vor anderen zu knien. Eine Patientin kam einmal zu mir, weil sie eine Operation ihrer stark geschädigten Kniegelenke scheute. „Ich habe nur einen Wunsch“, verriet sie mir, „ich möchte noch in der Kirche knien können.“ Diese Patientin war eine besonders eigenwillige, selbstbewusste Frau, deren Leidenschaft die Sterndeutung war. Einerseits lebte sie also im tiefen Glauben, andererseits betrieb sie eine okkulte Geheimwissenschaft, die mit diesem Glauben eigentlich nicht vereinbar ist. Dieser Konflikt manifestierte sich in dem Körperteil, der beim Gebet zu Gott, das ja zugleich eine Form der Unterwerfung ist, eine zentrale Rolle spielt. Diese Frau hatte sich in ihrem Leben bisher niemandem unterworfen, und sie tat es auch Gott gegenüber nur zum Teil. Meiner Ansicht nach kann es kein Zufall sein, dass bei dieser sonst sehr gesunden Frau die Kniegelenke so schwer in Mitleidenschaft gezogen worden waren.
Eine andere Patientin brach sich durch Unachtsamkeit bei einer Feier den linken Arm. Obwohl von chirurgischer Seite alles korrekt verlaufen war, konnte sie monatelang ihrer Rolle als Frau und Firmenpartnerin an der Seite ihres Mannes nur unzureichend gerecht werden. Selbst beim An- und Ausziehen war sie auf seine Hilfe angewiesen. Dem Unfall vorausgegangen waren seine Untreue und eine Dreiecksbeziehung, in der sich die Kräfteverhältnisse erst durch den Armbruch zugunsten der Patientin veränderten. Sie brachte damit einerseits ihrem Mann zu Bewusstsein, wie wertvoll sie als Partnerin und Geschäftsfrau war. Andererseits konnte sie von ihm auch eine Zuneigung und Fürsorge erfahren, mit der er ihrvorher nie begegnet war. Wenn der Volksmund sagt, etwas sei kein „Beinbruch“ – Bein im Sinne von Knochen –, meint er damit gerade Situationen wie diese, in denen ein Mensch emotional um das Überleben kämpft. Ich bin der Meinung, dass die stumme Sprache des Körpers sich hier nicht zufällig im linken Arm äußerte. Dieser ist der emotionale Arm, er wird regiert von der rechten, für Gefühle zuständigen Gehirnhälfte, und gilt in der traditionellen Medizin als „Herzarm“, der sehr eng mit dem Herzen in Verbindung steht – wie viele Menschen wissen, die schon einmal einen Herzinfarkt erlitten haben. Der rechte Arm, der handelt und organisiert, ist mit dem Stoffwechselorgan Leber verbunden und wird als „Leberarm“ bezeichnet.
Wie man Mittel wählt
Was kann die Homöopathie in den genannten Fällen leisten? Im ersten Fall der starrköpfigen Knieleidenden erkennt der Homöopath einen Konflikt auf gedanklicher Ebene. Es ist eine Haltung, die dazu führt, dass sich langfristig der Mineraliengehalt von Knorpel und Knochen ändert. Warum das so ist? Es scheint, als wollte der Körper durch Veränderung der Durchblutung und des Mineralienan- oder -abbaus stumm auf diesen seelischen Konflikt aufmerksam machen. Zweifellos wird man hier beim Versuch einer Heilung eher mineralische Mittel einsetzen, entweder, indem man Calcium sulfuricum gibt, aus dem der Knorpel besteht, oder das Calcium phosphoricum des Knochens. Oder man denkt daran, Mineralien einzusetzen, die bei gedanklichen Prozessen im Gehirn eine Rolle spielen. Dazu gehören Natrium muriaticum, Kalium carbonicum und viele andere. Im Fall der Patientin hatten Calcium sulfuricum und Causticum eingeschränkte Erfolge, doch da sich an ihrer Lebenseinstellung nichts änderte, konnte auch keine Heilung eintreten. Zwischendurch hatte ich den Eindruck, dass die Gabe eines homöopathischen Mittels einen intensiven Gedankenprozess einleitete. Ohne mein Zutun wurde von der Patientin der Konflikt, um den es ging, thematisiert. Letztlich führte der Misserfolg der Behandlung zu einer Entscheidung: Die Patientin konnte in der Kirche vor Gott nicht mehr knien – weil sie es nicht wirklich wollte. In dieser Situation kann man nicht von Heilung oder Nichtheilung sprechen, sondern von einer individuellen Lösung, die mir als Arzt sehr am Herzen liegt. Trotzdem wäre es schöner, wenn dergleichen Konflikte ohne Zerstörung eines Gelenks ablaufen könnten.
Im zweiten Fall liegt ein Überlebenskampf vor, was den Homöopathen sofort an den Einsatz
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