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Pünktchen und Anton

Pünktchen und Anton

Titel: Pünktchen und Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kästner
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erklärte sie.
    »Gib mal her!« sagte Anton. »Das werden wir gleich haben.« Er packte die Leine und zog sein Taschentuch aus der Tasche, daß man einen weißen Zipfel leuchten sah. Dann rief er: »Piefke!« Der Dakkel hob den Kopf, betrachtete den Zipfel neugierig und dachte: Das ist was zum Fressen. Und als Anton weiterging, wackelte er eilig hinterher, blickte dauernd nach dem Taschentuch und schnupperte.
    »Großartig!« erklärte Pünktchen. »Eine glänzende Idee. Das muß ich mir merken.«
    »Wie findest du eigentlich unser Haus?« fragte er.
    »Ziemlich schrecklich, was?«
    »Es sieht ein bißchen verwahrlaust aus«, meinte sie.
    »Wie?« fragte er.
    »Verwahrlaust!« sagte sie. »Gefällt dir das Wort? Das ist von mir. Ich entdecke manchmal neue Wörter. Wärmometer ist auch von mir.«
    »Wärmometer statt Thermometer?« rief er. »Du meinst es auch nicht gerade böse.«
    »Und ob«, sagte sie. »Wollen wir mal Gelächter spielen?« Sie wartete gar nicht ab, ob er wollte oder nicht, sondern nahm ihn bei der Hand und murmelte: »O je, o je, mir ist gar nicht lächerlich zumute. Ich bin tief, tief traurig.« Anton sah sie verwundert an. Sie machte große Augen und hatte eine Falte auf der Stirn.
    »O je, o je, mir ist gar nicht lächerlich zumute. Ich bin tief, tief traurig«, wiederholte sie. Dann knuffte sie ihn und flüsterte: »Du auch!«
    Anton tat ihr den Gefallen. »O je, o je«, brummte er. »Mir ist gar nicht lächerlich zumute. Ich bin tief, tief traurig.«
    »Und ich erst«, murmelte sie erschüttert, »o je, o je, mir ist gar nicht lächerlich zumute, ich bin tief, tief traurig.« Und weil sich beide anblickten und weil sie beide solche Leichenbittermienen aufgesetzt hatten, lachten sie aus vollem Halse.
    »O je, o je, mir ist gar nicht lächerlich zumute«, fing nun Anton wieder an, und nun mußten sie noch mehr lachen. Schließlich konnten sie sich überhaupt nicht mehr ansehen. Sie lachten und kicherten, fanden kein Ende und bekamen kaum noch Luft. Die Leute blieben bereits stehen. Und Piefke setzte sich hin. Jetzt sind sie völlig übergeschnappt, dachte der Dackel.
    Pünktchen hob ihn hoch. Und nun gingen die Kinder weiter. Aber jedes blickte in eine andere Richtung.
    Pünktchen gackerte noch ein paarmal in sich hinein, dann war auch das vorüber.
    »Alle Wetter!« sagte Anton. »War das anstrengend. Ich bin vollständig zerlacht.« Er wischte sich die Lachtränen aus den Augen. Und dann waren sie beim Friseur. Der Friseur hatte einen kleinen Laden, man mußte ein paar Stufen hochklettern.
    »Guten Tag, Herr Habekuß«, sagte Anton. »Ich soll mir die Haare schneiden lassen.«
    »Schon recht. Nimm Platz, mein Sohn«, sagte Herr Habekuß. »Wie geht's der Mutter?«
    »Danke für die Nachfrage. Es geht ihr besser. Aber mit dem Bezahlen geht's noch nicht besser.«
    »Wieder wie das letztemal«, sagte Herr Habekuß.
    »Zwanzig Pfennig Anzahlung, den Rest in Raten, hinten kurz, vorne etwas länger, ich weiß schon. Und das kleine Fräulein?«
    »Ich bin bloß Publikum«, erklärte Pünktchen. »Lassen Sie sich durch mich nicht stören.« Herr Habekuß band Anton ein großes weißes Tuch um und säbelte mit der Schere drauflos.
    »Kitzelt's schon?« fragte Pünktchen gespannt. Sie konnte es nicht erwarten. Und weil Anton nicht antwortete, sondern mäuschenstill saß, dachte sie sich rasch etwas anderes aus. Sie setzte Piefke auf den zweiten Stuhl, band ihm ihr Taschentuch um den Hals und schmierte ihm Seifenschaum um die Schnauze. Piefke hielt den Schaum zunächst für Schlagsahne, aber weil das weiße Zeug nicht schmeckte, zog er die Zunge wieder zurück und schüttelte den Kopf.
    Pünktchen tat, als ob sie ihn rasierte. Sie schabte ihm mit dem Zeigefinger den Seifenschaum allmählich wieder vom Fell, tanzte um ihn herum und unterhielt ihn dabei, wie sie es bei Friseuren beobachtet hatte.
    »Ja, ja, mein Herr«, sagte sie zu dem Dackel. »Das sind Zeiten! Ist Ihnen mein Zeigefinger scharf genug?
    Das sind Zeiten! Es ist zum, Sie wissen schon, was ich meine. Stellen Sie sich vor, bitte die andere Seite, stellen Sie sich vor, wie ich gestern nach Hause komme, hat meine Frau Drillinge gekriegt, drei Zelluloidpuppen, lauter Mädchen. Und auf dem Kopf wächst ihnen rotes Gras. Soll man da nicht verrückt werden? Und wie ich heute früh den Laden aufmache, steht der Gerichtsvollzieher schon drin und sagt, er müsse die Spiegel abholen. Warum? frag ich den Mann. Wollen Sie mich ruinieren? Tut mir

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