Purpurschatten
ebenso wie er unter Smolenskis Tod leiden; aber er sah sich getäuscht. Schon beim Betreten des Hauses merkte Titus, daß irgend etwas nicht stimmte. Anastasia wirkte eher befreit als bedrückt.
»Da bist du ja endlich«, meinte sie mit spöttischem Unterton. »Ich dachte schon, du hättest dich endgültig aus dem Staub gemacht. Komm!«
Sie führte Titus in den Salon – was sie noch nie getan hatte – und forderte ihn auf Platz zu nehmen.
Titus gehorchte. Er befand sich in einer Situation, in der er beinahe jedem Befehl nachkam.
»Es ist aus«, sagte sie, während Titus sie erwartungsvoll ansah.
Im selben Augenblick wurden die Türen zu beiden Seiten des Salons aufgerissen. Vier Carabinieri und ein Mann in Zivil traten in den Raum, und ehe er sich versah, klickten Handschellen um Titus' Handgelenke.
Der Kommissar zog eine Pistole aus Titus Jackentasche und legte sie auf den Tisch: eine Walther PPK.
»Das war's dann wohl«, sagte er mit einem Anflug von Genugtuung.
Titus machte keine Anstalten, sich zu wehren oder zu protestieren. Er wirkte apathisch.
Der Kommissar fuhr fort: »Sind Sie Theodor Brandstetter, genannt Titus?«
Titus nickte stumm.
»Sie sind vorläufig festgenommen. Ihnen wird ein Mordversuch in München, Beihilfe zu einem Prostituiertenmord in Wien, Verbreitung von Falschgeld in Rom und der Mord an der Comtessa Maffei in Nemi zur Last gelegt. Kommen Sie mit.«
Als zwei der Polizisten ihn hochzerrten, um ihn abzuführen, hörte Titus noch, wie der Kommissar zu Anastasia sagte: »Ich habe Ihnen zu danken, Signora Fasolino.«
Titus warf Anastasia einen verächtlichen Blick zu. Er hatte diese Frau immer gehaßt. Er räusperte sich und spuckte vor ihr auf den Boden. Dann wandte er sich dem Ausgang zu.
Im Augenblick wußte Brodka den unerwarteten Tod Smolenskis nicht zu deuten. Aber die Tatsache, daß der Papst Urbi et Orbi überlebt hatte, während Smolenski zur selben Zeit vom Tod ereilt wurde, stimmte ihn nachdenklich. Smolenskis Tod bewirkte bei Brodka noch etwas anderes: Zum erstenmal seit langer Zeit hatte er nicht mehr das Gefühl, von allen Seiten bedrängt und beobachtet zu werden, und so scheute er sich auch nicht, mit Juliette im Hotel Excelsior ein Zimmer zu nehmen.
Auf Juliette machte Brodka dennoch keinen wirklich befreiten Eindruck. Sie schrieb es ihrem eigenen Verhalten zu, auch wenn sie Brodka erklärte, daß mit Claudio endgültig Schluß sei. Brodka erzählte ihr vom Tod der Comtessa und daß sie in seinem Leihwagen umgekommen sei; er verschwieg ihr auch nicht, was zuvor zwischen ihm und Mirandolina gewesen war. Die Zeit der Geheimniskrämerei mußte endlich ein Ende haben.
»Was soll nun aus uns werden?« erkundigte sich Juliette, nachdem sie ihr komfortables Zimmer mit Blick auf die Via Veneto bezogen hatten.
Brodka nahm Juliettes Hände zwischen die seinen. Er schaute ihr in die Augen und sagte: »Vor allem sollten wir uns jetzt keine gegenseitigen Vorwürfe machen. Es ist einfach zuviel auf uns eingestürzt.«
Juliette schüttelte den Kopf. »Ich habe mich kindisch benommen. Verzeih mir.«
Zum Zeichen, sie solle schweigen, legte Brodka seinen Zeigefinger auf Juliettes Lippen. »Hör auf dich zu entschuldigen. Ich selbst müßte dich genauso um Verzeihung bitten. Vielleicht war es eine Erfahrung, die wir beide machen mußten. Und Erfahrungen machen bekanntlich klüger.«
»Wir könnten einfach dort anfangen, wo wir aufgehört haben«, meinte sie. »Du erinnerst dich?«
»Ja«, erwiderte Brodka. »Wir sollten einen Tag alles um uns herum vergessen und so leben, wie wir gelebt haben, bevor das alles begann.«
»Wollen wir?« Juliette blickte herausfordernd.
»Ja«, antwortete Brodka. »Denn ich liebe dich noch immer.«
Das Telefon klingelte.
Brodka nahm ab. Sydow war am Apparat.
»Ich bin in der Hotelhalle. Können Sie herunterkommen? Ich habe eine Überraschung für Sie.«
Brodka warf Juliette einen raschen Blick zu. »Komm mit«, sagte er.
In der Hotelhalle wartete Sydow in Begleitung von Maria Bonetti. Sie war klein und hatte dunkle gekräuselte Haare, so wie Sydow sie beschrieben hatte.
Die junge Frau zog ein Foto aus der Tasche. Wortlos reichte sie es Brodka.
Der warf einen Blick darauf, schüttelte fassungslos den Kopf und gäbe es an Juliette weiter.
»Ist das die ominöse Fotografie?« fragte sie.
Brodka nickte. »Das gleiche Bild wie im Tresor meiner Mutter und das gleiche Bild, das ich von Keller in Zürich erhalten habe.« Und an Maria Bonetti
Weitere Kostenlose Bücher