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Quade 02 - Goldene Sonne die dich verbrennt

Quade 02 - Goldene Sonne die dich verbrennt

Titel: Quade 02 - Goldene Sonne die dich verbrennt Kostenlos Bücher Online Lesen
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Schurken
verwandeln, der ihr nicht mehr Wert zumessen würde als einem Hund oder einem
Pferd.
    Charlotte dachte an ihr Zuhause in
Quade's Harbor, an die grünen Ufer des Puget Sound, an denen ihr Vater eines
der größten Holzgeschäfte des Washingtoner Territoriums betrieb. Brigham Quade
war ein Mann von festen Überzeugungen, der keinen Unsinn duldete, aber
Charlotte hatte nie Anlaß gehabt, an seiner Zuneigung zu ihr zu zweifeln. Sie
und ihre Schwester Millie hatten immer gewußt, daß er eher sterben würde, als
zuzulassen, daß ihnen etwas zustieß, und aus dieser Sicherheit heraus waren
beide Schwestern zu selbstsicheren und zuversichtlichen Menschen
herangewachsen.
    Lydia, ihre Stiefmutter, hatte sie
gelehrt, eine starke Frau zu sein, furchtlos Risiken einzugehen und ihre
Intelligenz nicht zu verleugnen, und diese Eigenschaften waren Charlotte im großen
und ganzen bisher auch sehr zugute gekommen. Bis zu diesem Morgen, als sie mit
der grandiosen Idee erwacht war, sich mit Bettina als Araberinnen zu verkleiden
und den verbotenen Souk aufzusuchen.
    Charlotte dachte an Millie, ihre
schöne, temperamentvolle Schwester, und stellte sie sich in ihrem
Hochzeitskleid aus weißen Spitzen vor, mit Augen, die vor Aufregung und Liebe
funkelten. Dann ließ sie das Bild jedes einzelnen ihrer fünf kleinen Brüder vor
sich erstehen und trauerte um sie, einem nach dem anderen. In ihrem Geist
schwollen ihre Namen zu einem tragischen Crescendo an: Devon, Seth, Gideon,
Jacob, Matthew.
    Es war möglich, daß sie kein
einziges Mitglied ihrer Familie je wiedersehen würde; schlimmer noch, ihr
Verschwinden würde ihren Lieben furchtbares Leid zufügen. Auch das Leben von
Bettinas Eltern würde für immer zerstört sein, wenn sie durch Charlottes
unbedachte Handlungsweise ihr einziges Kind verloren.
    Charlottes Verzweiflung hätte sie vielleicht
in diesem Augenblick vollkommen überwältigt, wenn sich ihr nicht etwas Dringenderes
zum Nachdenken geboten hätte.
    Scharniere quietschten, ein Streifen
Licht durchschnitt die Finsternis, und ein kleiner Mann betrat den Raum. Er war
gekleidet wie ein Araber, aber das war auch alles, was Charlotte in dem
schwachen Licht erkennen konnte.
    Ihr Herz pochte vor Angst und
hilflosem Zorn, als der Mann sie grob auf die Beine zog und ihr den Knebel
abnahm. Dann hielt er ihr einen Becher mit lauwarmem Wasser an die Lippen.
    Charlotte unterdrückte ihre wütenden
Anschuldigungen und all die verzweifelten Fragen, die sie bedrängten, und trank
gierig. Die Hitze in dem kleinen Raum war schier unerträglich.
    »Wer sind Sie?« fragte sie, als sie
ihren Durst gelöscht hatte.
    Der Mann murmelte etwas in Arabisch,
und obwohl Charlotte die Worte nicht verstand, begriff sie ihren Sinn. Sie
drückten weder Verachtung noch Feindseligkeit aus, nur vollkommene
Gleichgültigkeit ihrem Schicksal gegenüber.
    »Wo bin ich hier? Warum halten Sie
mich hier fest?« fragte sie, obwohl sie nicht mit einer Antwort rechnete.
    Charlottes Besucher schrie sie an,
wie seine vorherigen Worte bedurften auch diese keiner Übersetzung. Er wollte
ganz einfach, daß sie den Mund hielt.
    Um es ihr ganz deutlich zu machen,
knebelte er sie wieder und zog den schmutzigen Lappen so fest an, daß er in
Charlottes Mundwinkel schnitt. Dann stieß der Araber sie grob zu Boden.
    Und da merkte sie zum ersten Mal,
daß sich etwas unter ihr bewegte, ein fast unmerkliches Schaukeln, das durch
den Nebel ihrer Angst und ihrer Wut drang und ihr bewies, daß sie sich auf
einem Schiff befand. Die Erkenntnis vermittelte ihr einen gewissen Trost, aber
auch die Einsicht, daß eine Flucht noch schwieriger sein würde, als sie geglaubt
hatte.
    Als ihr Wärter ging, war sie fast
dankbar für den Knebel, der sie daran hinderte, dem Araber die ausdrucksvollen
Flüche nachzurufen, die sie in den Holzfällerlagern ihres Vaters aufgeschnappt
hatte. Obwohl der Mann kein Englisch sprach, hätte er gemerkt, daß er beleidigt
wurde, und seine Geduld schien auch so schon aufs Äußerste strapaziert.
    Charlotte zwang sich, durch die Nase
ein- und auszuatmen. Was auch geschehen mochte, sie durfte jetzt nicht die
Nerven verlieren und auf keinen Fall Angst zeigen.
    Die Hitze in ihrem Verlies war fast
unerträglich, und jetzt, wo sie wußte, daß es ein Verlies war, vermochte
Charlotte auch das Rascheln der Ratten in den Balken über ihr zu deuten. Mit einem
Erschauern schickte sie ein stummes Stoßgebet zum Himmel und flehte um ein
Wunder.
    Seufzend wandte Patrick sich

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