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Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht

Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht

Titel: Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Calsow
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Feilitzschstraße beobachten?«
    »Solltest du nicht häufiger die Klappe halten?«
    »Reiß dich zusammen, Max. Du kannst gleich mit uns mitkommen. Wir hören eine Aufnahme von einem türkischen Glücksspielring an. Du kannst übersetzen.«
    »Ja, ich könnte. Ich werde es aber nicht tun. Dr.   Pollinger möchte mich sehen. Ober sticht deutlich unter.«
    Quercher winkte dem kopfschüttelnden Picker hinterher und fuhr zwei Stockwerke höher. Hier war alles still. Hier saß die Macht.
    Dr.   Ferdi Pollinger hatte auf eigene Kosten und mit stiller Genehmigung aus dem Innenministerium sein Büro in eine Zirbelstube ausbauen lassen – für Quercher eine Hölle aus Holz. Auf einem massiven Tisch stand eine weiße Porzellanschüssel, aus der es dampfte. Pollinger war das fleischgewordene Klischee eines Bayern. Er trug gerne Folkloristisches, sein Schmerbauch quoll im Sommer über speckige Lederhosen. Das schüttere Haar war gescheitelt. Seinen Karrierehöhepunkt hatte er noch unter dem alten Ministerpräsidenten, dem einzigen, der einem König in all seinen Schattierungen nahekam, wie Pollinger fand. Seine Art war jovial, nie offen verletzend. Nur Quercher wusste, dass der LKA-Direktor ein Faible für Glücksspiele aller Art besaß und einmal im Jahr in Provinzcasinos im wahrsten Sinne des Wortes die Sau rausließ.
    Pollinger öffnete eine Flasche Weißbier. Es war neun Uhr, als er seinem Freund und Kollegen Quercher die Diagnose mitteilte. »Ich habe Magenkrebs. Drei Monate.«
    Stille. Draußen drückte eine Böe gegen die Fensterfront. Es knackte. Schweigen.
    Ehe Quercher etwas sagen konnte, sprach Pollinger weiter. »Sie wollen den Magen rausnehmen. Dann gibt’s nur Brei und irgendwann den Tod. Ich hab’s abgelehnt. Freitag aber muss ich ins Krankenhaus. Sie wollen vor Weihnachten noch alles Sinnlose unternehmen, aufmachen und wieder zumachen.«
    Quercher sah aus dem Fenster. Der Schneesturm ließ ihn nur bis zu den schaukelnden Trambahnleitungen sehen. Die orangefarbenen Warnleuchten der Räumfahrzeuge spiegelten sich an den Häuserwänden wider. Dieser Tag wollte nicht aufstehen.
    »Scheiße«, murmelte Quercher leise. Pollinger war sein Vater. Jedenfalls so etwas wie ein Vater. »Was hast du vor? Chemo, den ganzen Kram?«
    Pollinger schüttelte den Kopf. Quercher konnte es nicht glauben. Schlechte Nachrichten waren seine Begleiter. Aber wenn es einen so direkt traf, wollte man auf Stopp drücken, zurückspulen und neu anfangen. Der Mann sah nicht krank aus. Er saß an diesem Tisch, dick und breit und gesund. Nichts an ihm wirkte krank, verriet, dass irgendwo hinter diesem Bauch, der von einem Jankerl ummantelt war, ein bösartiges Geschwür lauerte. Ihn auffressen wollte. So wie Pollinger jetzt die Wurst auffraß.
    Pollinger räusperte sich. »Du erbst. Ich habe ja sonst keinen mehr.«
    Seine Frau hatte sich vor Jahren von ihm scheiden lassen.
    »Ferdi, lass es. Ich brauch dein Geld nicht.«
    Pollinger sah ihn traurig an. »Max, ich sterbe.«
    Quercher hielt dem Blick nicht stand. Er sah hinaus in den Schnee. Sie waren beide Meister darin, Schweigen als Waffe einzusetzen. Aber Quercher war zu müde. »Gut, ich werde dein Erbe natürlich nicht ablehnen. Das verspreche ich dir. Es sei denn, es sind Schulden bei diversen Spielbanken.«
    »Weißt du, Maximilian«, Pollinger hob mit sonorer Stimme zu einem seiner gefürchteten Monologe an, »du warst kein leicht zu nehmender Freund und schon gar kein einfacher Kollege.« Er vermied es immer, von Mitarbeitern zu reden. »Firmen haben Mitarbeiter. Polizisten haben Kollegen«, ließ er gerne nach ein paar Flaschen Weißbier junge Kollegen wissen.
    Quercher unterbrach ihn. »Worauf willst du hinaus?«
    Pollinger streifte mit seinem Messer die letzten Wurstreste aus der weißen Pelle und verschlang sie, statt sofort zu antworten. Wie eine Wolke schob sich das Schweigen zwischen Quercher und den Alten.
    Pollinger beugte sich nach links und zog eine Akte aus den Stapeln auf seinem Schreibtisch hervor. »Die dürftest du ja kennen.«
    Quercher verstand sofort. Vor ihm lag in einem violetten Pappumschlag der Personalabteilung sein Ersuchen auf Frühpensionierung. In seinem Alter musste bei einem solchen Anliegen der Innenminister persönlich zustimmen. Das wiederum ging nur mit stiller Hilfe seines Chefs.
    Pollinger wischte sich die Finger ab. Dennoch hinterließ er auf der sowieso schon abgegriffenen Akte einen Fettfleck. »Du weißt es, ich weiß es. Du bist zu jung, zu

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