Quest
trieb.
Es kam aus dem Waschraum. Die Tür war offen, Smeeth stand am Waschbecken und bearbeitete seinen linken Unterarm mit Seife und Bürste.
Bailan verharrte schlaftrunken halb hinter dem Türrahmen, bis ihm endlich dämmerte, was er hier zu sehen bekam.
»Das war keine Tätowierung«, flüsterte er.
Smeeth sah hoch. Es war ihm nicht anzumerken, ob er überrascht war oder gar Bailan längst bemerkt hatte. »Nein«, sagte er.
»Und das war auch nicht wirklich der Planet des Ursprungs…«
Smeeth schwieg, schrubbte weiter an seinem Arm herum. Die Seife auf der Bürste schäumte und verströmte einen Geruch nach den Blumen einer fremden Welt.
»Es war einfach irgendein Planet«, fuhr Bailan fort. »Ihr habt Euch irgendeinen Stern aus den Vermessungen ausgesucht und behauptet, das sei der Planet des Ursprungs.«
»Der Planet des Ursprungs ist eine Legende. Das ist alles, was man sagen kann.«
»Aber es mu ss ihn gegeben haben, oder?«
»Ja, sicher. Und? Das ist nur eine Frage der
Wahrscheinlichkeit. Vielleicht hat es sogar mehrere erste Samen gegeben, wer wei ss das schon? Wir sind nicht einmal fähig, die Welt ausfindig zu machen, auf der die Menschheit entstanden ist, dabei wäre das vergleichsweise einfach, was soll also die Suche nach einem Phantom wie Hiden! Und was wollen wir dort finden?«
»Gott.«
»Würdest du wirklich einen Gott kennenlernen wollen, d er das Universum so unsinnig ge staltet hat, da ss man Millionen von Lichtjahren reisen mu ss , um ihm zu begegnen? Auf einem Planeten zudem, dessen Position niemand kennt? Ich bitte dich.«
»Aber warum habt Ihr dann dieses… Theater veranstaltet?«
Smeeth wusch die Seifenreste ab und griff in die gewärmten Trockenschnüre neben dem Becken. »Eftalan Quest war ein kranker, verzweifelter Mann, und er war besessen von seiner Suche. Er konnte Gott nur auf dem Planeten des Ursprungs begegnen, also war es nötig, dorthin zu fliegen.« Der Unsterbliche sah Bailan mit einem undeutbaren Gesichtsausdruck an. »Abgesehen davon war die Rrigg noch nicht wieder einsatzfähig, nay? «
Dann ging er. Und Bailan blickte ihm nach und wurde dabei das Gefühl nicht los, da ss Smeeth ihm etwas verschwiegen hatte, aber er hätte nicht sagen können, was.
…doch wie auch immer wir die Aussagekraft und die Wahrscheinlichkeit von Legenden einstufen, ob wir sie für Märchen halten, für blo ss e Sagen oder für blumige Umschreibungen tatsächlicher Zusammenhänge, zumindest der Umstand, da ss diese Geschichten über so lange Zeit hinweg erhalten, erinnert und weitergegeben werden, um in jeder Generation und jeder Kultur aufs Neue die Phantasie anzuregen, zeigt, welch mythische Kraft ihnen innewohnt, und beweist, da ss sie uns auf einer Ebene berühren, die tief unter unserem wachen Bewu ss tseins verborgen liegt.
Denn so ist es: All diese Geschichten rühren an den Kern unserer Seele, erzählen uns von den Gründen und Bedingungen unserer Existenz. Alles Leben ist eins, flüstern sie uns zu, und: Auch der Fremde ist dein Bruder. Sie verhei ss en uns, da ss das ganze Universum unsere Heimat sein kann. Auch wenn uns die Sterne gleichgültig scheinen und die Abgründe zwischen ihnen feindlich, sie scheinen nur so. In all unserer Flüchtigkeit sind wir doch ein Teil des Ganzen, mehr noch, das Ganze unternimmt enorme Anstrengungen, damit wir teilnehmen können an dem, was geschieht, damit wir anwesend sein können auf der Bühne, die es uns bereitet.
So war die Entdeckung der Verwandtschaft allen Lebens zwar erstaunlich, zugleich aber tröstlich. Im Zusammenwirken denkbar kalter, nüchterner Gesetzmä ss igkeiten offenbarte sich uns eine Ahnung des Wunderbaren. Wir sind keine Fremdkörper. Das Unendliche ist nicht willens, ohne uns auszukommen. Obgleich es Myriaden von Möglichkeiten gäbe, unsere Existenz von vornherein unmöglich zu machen, gibt es uns doch. Das ist der Umstand, auf den uns all diese Geschichten aufmerksam machen wollen, und deswegen sind sie uns so kostbar.
Das Universum, sagen sie uns, ist Gott, und wir sind seine Träume.
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