Quo Vadis
verkörpert erschienen war. Was war Rom? Eine riesenhafte, räuberische, beutegierige, ungezügelte, bis ins Mark faule, doch in ihrer außergewöhnlichen Kraft unangreifbare Stadt. Was war der Cäsar? Ein Brudermörder, ein Muttermörder, ein Frauenverführer, den eine Schar blutiger Schatten verfolgte, die seinem Hofe an Zahl durchaus nicht nachstand. Dieser Verworfene, dieser Komiker, dabei Herr von dreißig Legionen und durch sie der Herr der Welt, diese mit Gold und Scharlach bedeckten Höflinge, die des nächsten Morgens ungewiß waren, aber bis zu ihrem Ende doch mächtiger als Könige – sie alle zusammengenommen bildeten eine Art höllischen Reiches voll Ungerechtigkeit und Bosheit. In der Einfalt seines Herzens wunderte sich Petrus, daß Gott dem Satan so unbegreifliche Gewalt gegeben habe, die Erde zu bedrücken, zu verkehren, zu zertreten, ihr Blut und Tränen auszupressen, sie fortzureißen wie ein Wirbelwind, auf ihr zu toben wie ein Orkan, sie zu verzehren wie ein Feuer. Sein Herz ängstigte sich bei diesem Gedanken, und er sprach im Geiste zu seinem Meister:
„O Herr, wo soll ich anfangen in dieser Stadt, in die du mich gesandt hast? Ihr gehören Meere und Länder, die Tiere des Feldes und alle Wesen des Wassers, sie besitzt Königreiche und Städte und dreißig Legionen, die sie bewachen; ich aber,
o Herr, bin ein Fischer von einem kleinen See! Womit soll ich anfangen, wie soll ich ihre Bosheit besiegen?“
Dabei erhob er sein graues, zitterndes Haupt zum Himmel und betete und flehte aus der Tiefe seines Herzens voll Trauer und Sorge zu seinem himmlischen Meister.
Lygia unterbrach ihn.
„Die ganze Stadt scheint in Brand zu stehen“, sagte sie.
Die Sonne neigte sich eben in wunderbarer Pracht zum Un
tergang. Ihre Scheibe war schon halb hinter dem Janiculum verschwunden, und der Horizont schimmerte in rötlichem Glanze. Etwas rechts sahen sie die langgezogenen Mauern des Circus Maximus; darüber die hohen Paläste des Palatins und hinter dem Forum Boarium und dem Forum Velabrum den Gipfel des Kapitols mit dem Tempel des Jupiter. Die Mauern und Säulen alle, die höchsten Spitzen der Tempel waren wie eingetaucht in das goldene und purpurne Abendlicht. Die aus der Ferne sichtbaren Teile des Flusses schienen in Blut verwandelt; und in dem Maße, wie die Sonne sank, wurde der Schimmer röter und röter, es bot sich immer deutlicher das Bild einer Feuersbrunst, die, beständig zunehmend, sich über die sieben Hügel und auch auf deren Umgebung ausdehnte.
„Die ganze Stadt scheint in Brand zu stehen!“ wiederholte Lygia.
Petrus hielt die Hand vor die Augen und sagte:
„Der Zorn Gottes ruht auf ihr!“
XXXVII
Vinicius an Lygia:
„Der Sklave Phlegon, der Dir diese Zeilen überbringt, ist ein Christ und somit einer von denen, die aus Deiner Hand, Geliebte, ihre Freiheit empfangen sollen. Er ist ein langjähriger Diener unseres Hauses, so daß ich ihn ruhig senden darf, ohne fürchten zu müssen, daß der Brief in andere als in Deine Hände fällt. Ich schreibe in Laurentum, wo wir der Hitze wegen haltmachten. Otho besaß hier eine fürstliche Villa, die er seinerzeit Poppäa zum Geschenk machte, und obschon sie von ihm geschieden war, hielt sie es für passend, das prachtvolle Geschenk zu behalten. Wenn ich an diese Weiber denke, die mit uns sind, und dann Dich dagegenhalte, bin ich oft versucht, anzunehmen, aus den Steinen, die Deukalion schleuderte, seien Menschen ganz verschiedenen Schlages entstanden, die einander in nichts gleichen, und Du gehörst zu denen, die aus Kristall hervorgingen.
Ich liebe und bewundere Dich aus ganzer Seele und möchte am liebsten nur von Dir sprechen; ich will mich aber auf das beschränken, was auf der Reise vorging und was an des Cäsars Hofe geschieht. Der Cäsar war der Gast der Poppäa, die heimlich einen glänzenden Empfang vorbereitet hatte, wozu sie nur wenige Augustianer, darunter Petronius und mich, einlud. Nach dem Mahle segelten wir in goldenen Kähnen in die See hinaus, die so ruhig war, als ob sie schliefe, und so blau wie Deine Augen, Du Göttliche! Wir ruderten selber; denn offenbar schmeichelte es der Augusta, daß Männer konsularischen Ranges oder deren Söhne für sie ruderten. Der Cäsar saß, in eine Purpurtoga gekleidet, am Ruder und sang eine Hymne an das Meer, die er die Nacht zuvor gedichtet und mit Diodoros’ Hilfe in Musik gesetzt hatte. Andere Boote trugen indische Sklaven, die auf Meermuscheln zu spielen verstanden, während
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